Mehr als nur eine Energiebilanz: Das Planungstool für Passivhäuser

Das Passivhaus Projektierungs Paket (PHPP) besteht aus einer Tabellen-Kalkulations-Arbeitsmappe und einem Handbuch. Es ist ein wichtiges Hilfsmittel für die Projektierung von Passivhäusern. Seit Juni 2007 gibt es die neue, erweiterte Ausgabe.

Das Passivhaus Projektierungs Paket (PHPP) umfasst alles, um ein sicher funktionierendes Passivhaus planen zu können. Dabei wird, wo immer möglich, auf die aktuelle internationale Normung zurück gegriffen. Diese ist in den meisten Bereichen streng an den physikalischen Gesetzen orientiert und das ist auch die Grundlage des PHPP. An einigen Stellen sind Verallgemeinerung erforderlich (z.B. Verschattungsroutinen für die ganze Welt), an wenigen auch Abweichungen (bedingt durch das extrem geringe Energiebedarfsniveau von Passivhäusern, z.B. bei der asymptotischen Formel für den Ausnutzungsgrad) und für manche Bereiche gibt es noch keine international einschlägige Normung (z.B. bzgl. Lüftungsdimensionierung). Enthalten im PHPP sind die Tools für

  • die Berechnung von Energiebilanzen (inkl. U-Wert-Berechnung)
  • die Projektierung der Fenster
  • die Projektierung der Komfortlüftung
  • die Auslegung der Heizlast
  • die Voraussage für den sommerlichen Komfort
  • die Auslegung von Heizung und Warmwasserbereitung

Und viele weitere nützliche Werkzeuge für die zuverlässige Projektierung von Passivhäusern sowie auch:

  • den Nachweis für die Förderung von Passivhäusern (z.B. durch die KfW)
  • den vereinfachten Nachweis nach der Energiesparverordnung (EnEV)
  • ein ausführliches Handbuch, in dem nicht nur das Verfahren des PHPP erläutert ist, sondern alle wichtigen Merkpunkte für den Bau von Passivhäusern zusammengestellt sind: Also das Passivhaus-Baupraxis-Buch schlechthin.


Genaues Modell: Simulation nach physikalischen Grundgleichungen

 
Abb. 1: Vergleich von Messung und Simulation im wissenschaftlich begleiteten Projekt Passivhaus Darmstadt Kranichstein. (Verwendetes Simulationsprogramm: DYNBIL; siehe Dynamische Simulation; der Vergleich wurde publiziert in [1]).

Bei den ersten Passivhäusern war es noch unverzichtbar, die Gebäude mit zeitlich hochaufgelösten numerischen Simulationen zu projektieren. Diese Berechnung der Energiebilanzen von Gebäuden mit sehr geringem Energieverbrauch ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Bestehende Verordnungen und Normen haben sich dabei als zu ungenau erwiesen. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Mit einer Simulation, die sich an den physikalischen Grundgesetzen orientiert, kann das Verhalten der Gebäude aber sehr genau vorausberechnet werden. Das Problem dabei ist nur: Die Eingabedaten für ein instationäres Simulationsprogramm sind sehr umfangreich. Unser Computermodell für das Passivhaus Darmstadt Kranichstein verlangt über 2000 unabhängige Eingabedaten (ohne den Klimadatensatz). Soll die Simulation zuverlässige Ergebnisse liefern, dann müssen diese Daten korrekt und gemäß der tatsächlichen Geometrie des Gebäudes bestimmt werden.

Wie der Vergleich zwischen Simulation und Messergebnissen zeigt, ist dies möglich ([1] , vgl. Abb. 1), aber der Aufwand für ein solches Modell ist sehr groß und nicht alle benötigten Daten sind gleich wichtig. Trotzdem können bei ungeeigneten Werten für „unwichtige“ Daten falsche Ergebnisse entstehen.


Ein pragmatischer Weg: Vereinfachte Modelle, klare Eingabedaten

 
Abb. 2: Vergleich von Berechnungen mit dynamischer Simulation (DYNBIL) und Berechnungen mit dem PHPP (Monatsverfahren EN 832 und Jahresverfahren / diese ursprünglich Europäische Norm ist inzwischen in der internationalen Norm ISO 13790 aufgegangen, die Inhalte sind in den relevanten Fragen unverändert).
Die Übereinstimmung der vereinfachten stationären Rechenmethode mit der dynamischen Simulation ist sehr gut - beim Vergleich muss sorgfältig auf identische Daten bei allen Verfahren geachtet werden.

Durch Vergleiche verschiedener Simulationsmodelle konnten wir heraus finden, worauf es wirklich ankommt, um auch mit vereinfachten Modellen und vertretbarem Aufwand bei der Datenaufnahme zuverlässige Bilanzen zu erstellen Feist 1994[2]. Der Weg zu den zulässigen Vereinfachungen ist in der Publikation [3] beschrieben. Es mag überraschen, dass mit einem sehr einfachen Modell, nämlich durch

  • Behandlung des ganzen Hauses als eine Zone
  • Berechnung von Monatsenergiebilanzen statt zeitaufgelöster instationärer Simulation

bereits eine für praktische Planungszwecke ausreichende Genauigkeit erzielt werden kann (vgl. Abb. 2).

Die Vorteile einer weitgehenden Vereinfachung liegen nicht nur in dem übersichtlicheren Berechnungsgang: Sie liegen vor allem

  • im viel geringeren Aufwand für die Datenerhebung (weil nur noch die Daten der Gebäudehülle und der Lüftung ermittelt werden müssen),
  • in den dadurch verringerten Fehlerquellen bei der Erstellung und der leichteren Überprüfbarkeit des Berechnungsgangs (Prüfingenieuren graut es bei der Vorstellung, zur Qualitätssicherung bei einem Gebäude die Richtigkeit eines Eingabedatensatzes für eine numerische Simulation überprüfen zu sollen)
  • in der Konzentration auf die eigentlich wichtigsten Einflussgrößen und
  • in der Einbeziehung wirklich aller dieser wichtigen Einflussgrößen.

Der letzte Punkt sei kurz erläutert: Die meisten hochentwickelten Simulationsprogramme sind zwar bei bestimmten physikalischen Prozessen sehr genau (z.B. bei der instationären Wärmeleitung oder beim Strahlungswärmeaustausch), aber sie vergröbern das Modell an anderer Stelle (z.B. bei der winkelabhängigen Strahlungstransmission durch Verglasungen oder bei der Verschattung der Solarstrahlung durch Balkonüberstände, Laibungen etc.). Wirklich „alle“ relevanten Prozesse „physikalisch angemessen genau“ behandeln zu wollen, das schafft bisher kein einzelnes Programm - und auch künftig würde ein solches Programm ziemlich komplex aufgebaut sein, wodurch wieder zusätzliche Fehlermöglichkeiten entstehen.

Natürlich ist jede Vereinfachung mit einem Verlust an Genauigkeit verbunden - jedes nicht ganz korrekte Eingabedatum in ein komplexes Modell führt aber ebenso zu Genauigkeitsverlusten. Und, pragmatisch betrachtet, ist die mögliche Genauigkeit einer Berechnung beim (wetterabhängigen!) thermischen Verhalten von Gebäuden ohnehin begrenzt. Wir argumentieren hier ausdrücklich nicht gegen den Einsatz von Simulationsprogrammen. Ganz im Gegenteil, für die Wissenschaft ist dies der einzig richtige Weg. Für den praktischen Planungsprozess bei einem bereits bewährten Baukonzept kann aber die Verwendung vereinfachter, an die Planungsaufgabe optimal angepasster Rechenverfahren wegen der geringeren Fehlermöglichkeiten sogar genauer sein.

Das für den Bau von Passivhäusern in Europa optimal eingestellte Verfahren ist inzwischen tausendfach bewährt: das PHPP. Das PHPP wurde an Simulationsrechnungen mit aufwendigen instationären Modellen kalibriert.


Warum ist das PHPP für energieeffiziente Gebäude genauer als herkömmliche Verfahren?

 
Abb. 3: Vergleich von Verbrauchsmessungen (statistische Daten) zur Berechnung mit dem PHPP. Vergleichen kann man nur mittlere Messergebnisse aus statistisch hinreichend großen Stichproben - weil die Einzelverbrauchswerte wegen des unterschiedlichen Nutzerverhaltens zu stark schwanken.
Die Mittelwerte werden mit dem PHPP sehr genau getroffen.

Das PHPP wurde systematisch durch Abgleich der Ausnutzungsgradfunktion auf die Ergebnisse instationärer Simulationen entwickelt [3] . Verwendet wurden dabei ausschließlich solche Simulationsmodelle, die zuvor an Messungen in gebauten Passivhäusern validiert worden sind (vgl. Abb. 1). Der Abgleich wurde für den Standard von Passivhäusern vorgenommen - also für Objekte, die einen sehr geringen Heizwärmebedarf haben. An dieser Stelle weicht die Berechnung nach dem PHPP auch ein wenig von der internationalen Norm ISO 13790 ab. Die Abweichung ist allerdings für gewöhnliche Gebäude nicht bedeutend. Erst bei Objekten mit extrem langen Zeitkonstanten wirkt sie sich aus. Die EN 832 (ISO 13790) ist dann zu optimistisch.

Die Ergebnisse des PHPP wurden in der Folge außerdem immer wieder mit Messwerten aus hinreichend großen Stichproben gebauter Passivhäuser verglichen (vgl. Abb. 3). Dieser Vergleich zeigt regelmäßig eine sehr gute Korrelation.


Im PHPP sind eine Reihe von Randbedingungen deutlich anders gewählt als z.B. im Berechnungsgang der deutschen Energieeinsparverordnung (EnEV). Für diese Änderungen gibt es wichtige Gründe, die im Einzelnen in Feist 2001[4] diskutiert werden:

  • Für die inneren Wärmequellen sind bei Wohngebäuden mit effizienten Hausgeräten in der Heizperiode Werte um 2.1 W/m² (±0.3) realistisch (und nicht 5 W/m² wie häufig angenommen). Das PHPP enthält im Übrigen ein Berechnungsblatt, mit dem die inneren Wärmequellen beim spezifischen Bauprojekt genauer bestimmt werden können. Zu hoch angenommene innere Wärmequellen führen zu der Illusion, dass sehr niedrige Verbräuche oder sogar Nullheizenergiehäuser schon bei mäßigen Baustandards möglich wären. Die Praxis belegt, dass dies nicht stimmt.
  • Für die mittlere Raumtemperatur ist derzeit ein Wert von 20°C eine realistische Annahme (und nicht 19°C).
  • Für die Solargewinne sind realistische Verschattungsfaktoren und Ansätze für die immer vorhandene Verschmutzung zu berücksichtigen.
  • Die pauschalen Temperaturkorrekturfaktoren werden oft für gut gedämmte Gebäude zu niedrig angesetzt. Z.B. für Dachgeschossdecken liegen realistische Werte nicht bei 0.8, sondern bei 1.0.
  • Der Ansatz für eine „zusätzliche Luftwechselrate infolge Undichtheiten und Fensteröffnen“ beträgt bei der EnEV pauschal 0.15 h-1 bei Abluftanlagen und 0.2 h-1 für balancierte Anlagen mit Wärmerückgewinnung - jeweils viel zu hohe Werte. Korrekt muss, wie im PHPP und in DIN EN ISO 832, von der erreichten Luftdichtheit, d.h. dem gemessenen n50-Wert ausgegangen werden.

Diese und weitere Punkte führen zu Unterschieden bei den Berechnungen, die für energieeffiziente Gebäude relevant sind.

Dass die Ergebnisse der Mittelwerte der Messungen so ausgezeichnet mit der PHPP-Berechnung übereinstimmen, überrascht. Das ist auch eher ein Zufall, denn die Genauigkeiten sind weder bei der Messung noch bei der Berechnung so groß. Allerdings: Die abgebildeten Werte sind die tatsächlich abgelesenen Messwerte - und die Berechnungsergebnisse sind die Werte, die vor Baubeginn berechnet und bereits vor Fertigstellung publiziert wurden.

Fazit

Mehr als nur eine Energiebilanz: Das PHPP ist primär nicht entwickelt worden, um irgendwelche Nachweise zu führen. Das PHPP ist vielmehr ein Planungs-Werkzeug, mit dem der Architekt und die Fachplaner ihren Passivhaus-Entwurf fachgerecht projektieren und optimieren können. Das PHPP enthält Auslegungshilfen für die Fenster (in Hinblich auf optimale Behaglichkeit), für die Wohnungslüftung (in Hinblick auf optimale Luftqualität bei immer noch ausreichender Luftfeuchtigkeit) und für die Gebäudetechnik. Mit dem PHPP wird das gesamte Haus wirklich als Einheit behandelt, inklusive der Lüftung und der übrigen Haustechnik. Das Handbuch zum PHPP beschränkt sich nicht auf die Erklärung der Eingabedaten für die Tabellenkalkulation, vielmehr gibt es im Handbuch zahlreiche Tipps für eine optimierte Anordnung von Bauteilen (luftdicht, wärmebrückenfrei und kostengünstig), für den Planungsablauf und für die Qualitätssicherung.


Quelle

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Energiebilanz und Temperaturverhalten; Protokollband Nr. 5 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser, 1. Auflage, Passivhaus Institut, Darmstadt 1997
  2. Thermische Gebäudesimulation; 1. Auflage, 366 Seiten, 1994 (Link zum Simulationsprogramm DYNBIL: Dynamische Simulation)
  3. 3,0 3,1 Energiebilanzen mit dem Passivhaus Projektierungs Paket; Protokollband Nr. 13 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser, 1. Auflage, Passivhaus Institut, Darmstadt 1998
  4. Stellungnahme zur Vornorm DIN-V-4108-6:2000 aus Sicht der Passivhausentwicklung, CEPHEUS-Bericht, 1. Auflage, Passivhaus Institut, Darmstadt 2001