Dynamische Simulation

Version vom 17. Juli 2014, 15:32 Uhr von Willink (Diskussion | Beiträge)
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Methodische Grundlagen

Für die Simulation des wärmetechnischen Verhaltens wurde das instationäre Simulationsprogramm DYNBIL entwickelt.

  • Das Programm wurde in [Feist 1994[1]] einer systematischen Überprüfung unterzogen.
  • Das Programm wurde dazu mit geschlossenen Lösungen bei einfachen Modellen kalibriert.
  • Weiter wurden im Vergleich zwischen den Programmen DEROB, JULOTTA und DYNBIL für alle beteiligten Wärmetransportmechanismen Sensitivitätstests bzgl. der Modellbildung durchgeführt.

Eine kurze Charakterisierung der besonderen Detailgenauigkeit des DYNBIL-Modells ist im folgenden Einschub enthalten.

Einschub: Charakterisierung des Programms DYNBIL

Abb. 1: Schnitt durch das Passivhaus Darmstadt Kranichstein mit den gekennzeichneten Zonen.
  • Wärmeleitung und Wärmespeicherung
    • Instationäre Wärmeströme (Mehrkapazitäten-Netzwerkmodell) incl. eindimensionaler Ersatzdarstellungen für Wärmebrücken; explizites Lösungsverfahren der Fouriergleichung
  • Konvektiver Wärmeübergang
    • Temperaturabhängigkeit des konvektiven Wärmeübergangs an Oberflächen im Raum
    • Temperaturabhängigkeit des konvektiven Wärmeübergangs im ebenen Spalt (z.B. in Scheibenzwischenräumen)
  • Langwelliger Strahlungsaustausch
    • Approximation des Strahlungswärmeaustausches im Raum durch das Zweisternmodell („2* Modell“) bei sauberer Trennung zwischen Strahlung und Konvektion- auch an Außenoberflächen
  • Kurzwellige Strahlung
    • Einfluss des Einfallswinkels für den Strahlungsdurchgang am Fenster
    • Verschattung der kurzwelligen Strahlung getrennt nach direkter und diffuser Strahlung; berücksichtigt auch im langwelligen Strahlungsmodell
  • Lüftungswärmeverluste
    • DYNVENT : Mehrzonenmodell für die Druckverteilung und Luftdurchströmung von Gebäuden (vgl. Abb. 1)
  • Wärmeübergang an Außenoberflächen
    • Konvektiver Wärmeübergang, windabhängig
    • Langwelliger Strahlungsaustausch an Außenoberflächen mit der Umgebung und Abstrahlung in den Himmel
  • Interne Wärmequellen
    • Berücksichtigung unterschiedliche Wärmetransportmechanismen, beliebig vorgebbare Zeitprogramme der Leistungseinspeisung
  • Der Einfluss der Wärmeabgabe
    • Bewertung des Raumklimas mit Hilfe von operativen Temperaturen


Die Klimadatensätze

Als Klimadatensätze werden Stundendaten der relevanten Parameter benötigt, die z.B. auf den Testreferenzjahren beruhen können. Verfügbar sind derzeit alle deutschen Testreferenzdaten, ausgewählte Messdaten bestimmter Jahre in Europa und Klimadatensätze, die auf dem Programm Meteonorm beruhen.

Das Programm DYNBIL wurde später einem ausführlichen Vergleichstest mit gemessenen Temperaturverläufen und Wärmeströmen im Passivhaus Darmstadt-Kranichstein unterworfen [Feist 1997[2]] . Daraus liegt ein validiertes Simulationsmodell vor, mit welchem mit hoher Zuverlässigkeit Aussagen über die Temperaturverläufe im Passivhaus gemacht werden können.

Vier Eigenschaften des DYNBIL-Modells

Von besonderer Bedeutung gerade für die Aussagen zum sommerlichen Verhalten sind vier Eigenschaften des DYNBIL-Modells, die über die Qualität anderer häufig verwendeter Simulationsmodelle hinausgehen:

Abb. 2: Der resultierende Gesamtenergiedurchlassgrad von Verglasungen ist stark vom Einfallswinkel abhängig. Insbesondere bei flachem Einfall (Einfallswinkel über 60°) nehmen die g-Werte spürbar ab. Dies hat bedeutenden Einfluss auf das Innenklima im Sommer, insbesondere bei südorientierten Verglasungen. DYNBIL berücksichtigt die Abhängigkeit vom Einfallswinkel explizit.

1. DYNBIL bestimmt die vom Einfallswinkel abhängige Transmission und Strahlungsabsorption zu jedem Zeitpunkt in Abhängigkeit vom Sonnenstand und getrennt für die diffuse Strahlung (vgl. Abb. 2).Für die Untersuchung des sommerlichen Innenklimas ist dies bedeutend, weil z.B. eine vertikale Südverglasung im Sommer einen signifikant niedrigeren Energiedurchlassgrad hat als im Winter (wegen des sehr flachen Einfalls der Solarstrahlung).

2. In DYNBIL werden sowohl die Wärmeübergangskoeffizienten der Innenoberflächen als auch die Konvektion im Scheibenzwischenraum von Verglasungen in nichtlinearer Abhängigkeit von den Randbedingungen (u.a. Temperaturen) berechnet. Z.B. ist der Wärmedurchgang durch eine Verglasung bei vorliegender hoher Strahlungsabsorption in der Scheibe signifikant erhöht (wegen der dann hohen Scheibentemperaturen). Dieser Effekt kann bedeutenden Einfluss bekommen: Unter Einstrahlbedingungen kann der effektive Wärmedurchgangskoeffizient einer Dreischeibenwärmeschutzverglasung z.B. auf über 1 W/(m²K) anwachsen, während er unter strahlungsarmen Randbedingungen 0.7 W/(m²K) beträgt [Feist 1993, Seite 522[3]].

3. Der langwellige Strahlungsaustausch an den Außenoberflächen der Bauteile führt zu dem entscheidenden Wärmeverluststrom an die Umgebung; gerade im Sommer ist die Wärmeabstrahlung in den Himmel für die Oberflächenbilanz entscheidend; DYNBIL bestimmt diese Wärmeströme explizit [Feist 1993, Seite 319[3]].

4. Ein korrektes Strahlungsmodell im Raum hat ebenfalls einen hohen Einfluss. Gerade für die Bestimmung der sommerlichen Behaglichkeit ist eine Trennung zwischen konvektiven und radiativen Wärmetransportmechanismen, wie sie in DYNBIL vorliegt, unverzichtbar. Dies wurde auch beim Vergleich mit den Meßwerten aus dem Passivhaus Darmstadt-Kranichstein deutlich [Feist 1997 [2]].

Das Netzwerkmodell

Abb. 3: Ausschnitt aus dem Netzwerkmodell für die Simulation mit DYNBIL. Dargestellt ist das Modell einer Zone (Zone VI, Dachgeschoss Süd). Das gesamte Gebäude umfaßt sieben entsprechend verknüpfte Zonen (vgl. Abb. 1).
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In Abb. 3 ist ein Netzwerkmodell der DYNBIL-Simulation am Beispiel einer Zone dargestellt.

  • Die Absorption der durch Fenster transmittierten kurzwelligen Einstrahlung findet an den Innenoberflächen statt;
  • die einzelnen Zonen sind über ein ebenfalls instationär arbeitendes Strömungsmodell verknüpft.
  • Alle dargestellten Wärmeübergangskoeffizienten h (früher α) und Wärmeübertragungskoeffizienten Λ sind im Modell temperaturabhängig.
  • Auch die Wärmeströme über Wärmebrücken werden explizit berücksichtigt.

Hierzu werden eindimensionale Ersatzdarstellungen verwendet; in [Feist 1994[1]] war gezeigt worden, dass diese Näherung für die hier untersuchten Fragestellungen mit ausreichender Genauigkeit zulässig ist.

Tab. 1: Bestimmungsgrößen für das Passivhaus Darmstadt-Kranichstein (wie gebaut) während des Sommerbetriebes (Reihenmittelhaus): U-Werte, Lüftung, Fenster, innere Quellen.
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Die Modellparameter sind in der Studie im Detail dokumentiert [Feist 1998a[4]] ; Tab. 1 gibt einen Überblick über einige wesentliche Parameter dieses Basisfalles.

Bewertung nach operativen Temperaturen

Auch für die Bewertung der Behaglichkeit im Sommer ist die operative Temperatur der entscheidende Maßstab; darüberhinaus spielen Luftfeuchtigkeit (Schwülegrenze!) und Luftgeschwindigkeit eine wichtige Rolle. Da hier vor allem das mitteleuropäische Klima behandelt wird, hat sich die Studie zunächst auf die operativen Temperaturen konzentriert [Kirtschig 1998[5]] . An anderer Stelle wurde gezeigt, dass auch noch in feucht-heißen Klimaten eine Verallgemeinerung dieses Konzeptes mit der „Effektiven Standard Temperatur“ – (SET) – möglich ist [Wang 1996[6]] .

Vergleich Messung/Simulation

Abb. 3: Die gemessenen Tagesmittel der Raumlufttemperaturen im Vergleich mit den Ergebnissen der Simulation mit dem hier verwendeten Modell. Weitere Ergebnisse eines Vergleichs von Messung und Simulation finden Sie hier: Wärmedämmung funktioniert - Beleg 1

Abb. 3 zeigt die gemessenen Tagesmittel der Raumlufttemperaturen (alle Räume, Quadratsymbol) im Vergleich zu den Ergebnissen, die mit dem hier verwendeten Modell des Passivhauses simuliert worden sind. Dieses Modell stimmt in allen Bauteilen und Komponenten mit dem gebauten Objekt in Darmstadt-Kranichstein überein.

Die Verläufe stimmen qualitativ und quantitativ gut überein, solange die Randbedingungen für das Computer-Modell wie bei den Messungen gewählt werden konnten. Ab etwa 20. April haben die Bewohner des Hauses zusätzlich zur vorhandenen Lüftung über die Anlage auch Fenster zum Lüften geöffnet; diese Fensteröffnungen wurden nicht protokolliert. In der Randbedingung für die Simulation wurde der „Winterbetrieb“ mit geschlossenen Fenstern einfach beibehalten. So erklärt sich die hohe Abweichung am Ende der Kurven.

Der hier dokumentierte Vergleich zeigt damit, dass das eingesetzte Modell für die systematische Untersuchung der Sommerklimabedingungen geeignet ist. Ähnlich gute Übereinstimmungen zwischen Simulation und Messung ergaben Vergleiche, die von Jens Knissel am IWU mit Meßdaten aus dem Passivhaus Kranichstein unter kontrollierten Sommerbedingungen durchgeführt wurden [Knissel 1998[7]].

Fazit

Das Passivhaus Institut (PHI) führt grundlegende Studien zur Entwicklung innovativer Gebäudekonzepte, zur Erforschung der Auswirkungen neuartiger Komponenten oder zu Passivhäusern in anderen Klimazonen mit dem hier beschriebenen Programm DYNBIL durch. Diese Methode war auch Grundlage der Entwicklung des ersten Passivhauses in Darmstadt Kranichstein, es war das Mittel der Wahl für die Bewertung geeigneter Verglasungen und Fenstersysteme für Passivhäuser und das Instrument für die Passivhaus-Sommerfall-Studie. Auch bei neuen Anwendungsfällen (Turnhalle als Passivhaus) und für andere Klimazonen setzt das PHI die Software DYNBIL ein. Mitarbeiter des PHI haben vollen Zugriff auf den gesamten Quellcode des Programmes, so dass spezifische Erweiterungen für besondere Fragestellungen möglich sind.

Quelle

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Feist, Wolfgang: „Thermische Gebäudesimulation“; 1.Auflage Karlsruhe 1994; zu beziehen über das Passivhaus Institut
  2. 2,0 2,1 Feist, Wolfgang (Hrsg.): „Energiebilanz und Temperaturverhalten“; Protokollband Nr. 5 des Arbeitskreises kosten­günstige Passivhäuser; Darmstadt 1997
  3. 3,0 3,1 Feist, Wolfgang: „Passivhäuser in Mitteleuropa“; Dissertation, Unversität Kassel GhK, Kassel 1993
  4. Feist, Wolfgang: „Passivhaus Sommerklima-Studie“; Passivhaus Institut, Darmstadt 1998
  5. Kirtschig, Thomas; Werner, Johannes; Feist, Wolfgang: „Thermische Behaglichkeit im Passivhaus Kranichstein - eine Wohneinheit als Nullheizenergiehaus: Winter 1994/95“; Passivhaus-Bericht Nr. 16, Institut Wohnen und Umwelt GmbH, Februar 1998
  6. Wang, Zhiwu: „Controlling Indoor Climate“; Dissertation, Lund University, Department of Building Science, 1996
  7. Knissel, Jens: „Validierung des Simulationsprogramms TAS; Vergleich mit Messergebnissen aus dem Passivhaus Damstadt-Kranichstein“; Institut Wohnen und Umwelt, 1998