Auszug aus: Umweltbundesamt - Richtwerte für die Innenraumluft

Gesundheit und Umwelthygiene

Richtwerte für die Innenraumluft

Letzte Änderung: 09.12.2009

Die Menschen halten sich heute durchschnittlich 90% der Zeit in Innenräumen auf. Pro Tag atmet der Mensch 10 bis 20 Kubikmeter Luft ein, je nach Alter und je nachdem, wie aktiv er ist. Dies entspricht einer Masse von 12 bis 24 kg Luft. Das ist weitaus mehr als die Masse an Lebensmitteln und Trinkwasser, die eine Person täglich zu sich nimmt! Deshalb ist es wichtig, dass Vorkehrungen getroffen werden, die eine gute Innenraumluftqualität sicherstellen. Es müssen daher Vorgaben erarbeitet werden, ab welcher Konzentration ein Stoff in der Raumluft „schädlich“ ist. Dazu dienen Richtwertableitungen.

Was gilt als Innenraum?

Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (SRU) definiert „Innenräume“ als Wohnungen mit Wohn-, Schlaf-, Bastel-, Sport- und Kellerräumen, Küchen und Badezimmern. Außerdem Arbeitsräume in Gebäuden, die im Hinblick auf gefährliche Stoffe nicht dem Geltungsbereich der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) unterliegen wie etwa Büroräume. Innenräume in öffentlichen Gebäuden (Krankenhäuser, Schulen, Kindertagesstätten, Sporthallen, Bibliotheken, Gaststätten, Theater, Kinos und anderen öffentliche Veranstaltungsräumen) sowie das Innere von Kraftfahrzeugen und öffentlichen Verkehrsmitteln zählen ebenfalls dazu.

Während für Arbeitsplätze, an denen mit Gefahrstoffen umgegangen wird, Grenzwerte nach der Gefahrstoffverordnung gelten, trifft dies für die oben genannten Innenräume nicht zu. So ist eine Belastung mit Formaldehyd (PDF / 381 KB) in der Luft eines Büroraumes, die durch Ausgasung aus spanplattenhaltigen Möbeln entsteht, wie eine Wohnraumbelastung zu betrachten und nicht wie eine Belastung am Arbeitsplatz, etwa in der chemischen Industrie.

Die Richtwerte I und II

Innenraumluft-Richtwerte für einzelne Stoffe erarbeitet eine „Ad-hoc-Arbeitsgruppe“ aus Mitgliedern der Innenraumlufthygiene-Kommission (IRK) beim Umweltbundesamt sowie der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG). Grundlage ist ein 1996 im Bundesgesundheitsblatt veröffentlichtes „Basisschema (PDF / 317 KB)". Es gibt zwei Richtwert-Kategorien: Richtwert II (RW II) ist ein wirkungsbezogener Wert, der sich auf die gegenwärtigen toxikologischen und epidemiologischen Kenntnisse zur Wirkungsschwelle eines Stoffes unter Einführung von Unsicherheitsfaktoren stützt. Er stellt die Konzentration eines Stoffes dar, bei deren Erreichen beziehungsweise Überschreiten unverzüglich zu handeln ist. Diese höhere Konzentration kann, besonders für empfindliche Personen bei Daueraufenthalt in den Räumen, eine gesundheitliche Gefährdung sein. Je nach Wirkungsweise des Stoffes kann der Richtwert II als Kurzzeitwert (RW II K) oder Langzeitwert (RW II L) definiert sein.

Richtwert I (RW I) beschreibt die Konzentration eines Stoffes in der Innenraumluft, bei der bei einer Einzelstoffbetrachtung nach gegenwärtigem Erkenntnisstand auch dann keine gesundheitliche Beeinträchtigung zu erwarten ist, wenn ein Mensch diesem Stoff lebenslang ausgesetzt ist. Aus Gründen der Vorsorge sollte auch im Konzentrationsbereich zwischen Richtwert I und II gehandelt werden, sei es durch technische und bauliche Maßnahmen am Gebäude (handeln muss in diesem Fall der Gebäudebetreiber) oder durch verändertes Nutzerverhalten. RW I kann als Zielwert bei der Sanierung dienen. Die Richtwerte beziehen sich auf Einzelstoffe und beinhalten keine Aussage über mögliche Kombinationswirkungen verschiedener Substanzen. Bis Ende 2006 sind folgende Richtwerte festgelegt worden:

Verbindung Richtwert II

[mg/m³]

Richtwert I

[mg/m³]

Jahr der

Festlegung

Toluol 3 0,3 1996
Dichlormethan 2 (24 h) 1) 0,2 1997
Kohlenstoffmonoxid 60 (1/2 h) 6 (1/2 h) 1997
15 (8 h) 1,5 (8 h)
Pentachlorphenol 1 µg/m³ 0,1 µg/m³ 1997
Stickstoffdioxid 0,35 (1/2 h) - 1998
0,06 (1 Woche)
Styrol 0,3 0,03 1998
Quecksilber 0,35 µg/m³ 0,035 µg/m³
(als metallischer Dampf) 1999
Tris(2-chlorethyl)phosphat 0,05 2) 0,005 2) 2002
Bicyclische Terpene 3) 2 0,2 2003
Naphthalin 0,02 0,002 4) 2004
Aromatenarme Kohlenwasserstoff-

gemische (C9-C14)

2 0,2 4) 2005
TVOC siehe Erläuterungen im folgenden Text 1999
Diisocyanate (DI) siehe Erläuterungen im folgenden Text 2000
  • 1) In Klammern ist, soweit er ausdrücklich festgelegt wurde, ein Mittelungszeitraum angegeben, z. B. 24 Stunden (h).
  • 2) Obwohl die Ergebnisse tierexperimenteller Studien auf ein krebserzeugendes Potenzial der Verbindung hinweisen und für krebserzeugende Stoffe das Basisschema zur Richtwertableitung keine Anwendung finden sollte, sieht die Kommission aufgrund des Fehlens eindeutiger Hinweise zur Genotoxizität und des Bedarfs an Orientierungshilfen die Ableitung von Richtwerten für TCEP als vertretbar an.
  • 3) Leitsubstanz ﻮ-Pinen.
  • 4) Der RW I-Wert dürfte Schutz auch vor geruchlichen Belästigungen bieten.

Die Festlegung eines Richtwertes II für Diisocyanate (DI) erachtete die Arbeitsgruppe nicht als sinnvoll: Die anfänglich höhere Konzentration in der Raumluft bei der Verarbeitung von Diisocyanate-haltigen Lacken und Klebern (Konzentration im Bereich des MAK-Wertes) sinkt rasch ab und nach Beendigung des Aushärtevorgangs ist nicht mit einer Dauerbelastung zu rechnen. Generell sollte beim Verarbeiten DI-haltiger Produkte gut gelüftet werden.

In der Ad-hoc AG IRK/AOLG erarbeitete Richtwert-Empfehlungen:

Ad-hoc Arbeitsgruppe "Innenraumrichtwerte" der Innenraumlufthygiene-Kommission (IRK) des Umweltbundesamtes und der Obersten Landesgesundheitsbehörden. Richtwerte für gesättigte azyklische aliphatische C4- bis C11-Aldehyde in der Innenraumluft. (PDF / 755 KB) Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 52 (2009) S 650 -659

Ad-hoc Arbeitsgruppe "Innenraumrichtwerte" aus Mitgliedern der Innenraumlufthygienekommission (IRK) des Umweltbundesamtes sowie der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG). Gesundheitliche Bedeutung von Feinstaub in der Innenraumluft. (PDF / 466 KB) Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 51 (2008) S 1370 -1378

Ad-hoc Arbeitsgruppe "Innenraumrichtwerte" der Innenraumlufthygiene-Kommission (IRK) des Umweltbundesamtes und der Obersten Landesgesundheitsbehörden. Gesundheitliche Bewertung von Kohlendioxid in der Innenraumluft. (PDF / 795 KB) Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 51 (2008) S 1358 -1369

Mitteilungen der Ad-hoc-Arbeitsgruppe der IRK (2007) Gesundheitliche Bewertung dioxinähnlicher polychlorierter Biphenyle in der Innenraumluft. (PDF / 388 KB) Gesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 50(11): S. 1455-1465.

Ad-hoc Arbeitsgruppe aus Mitgliedern der Innenraumlufthygienekommission (IRK) des Umweltbundesamtes sowie der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) Beurteilung von Innenraumluftkontaminationen mittels Referenz- und Richtwerten. (PDF 721 KB) Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz 50 (2007) S 990-1005

Sagunski, H. und I. Mangelsdorf: Richtwerte für die Innenraumluft: Aromatenarme Kohlenwasserstoffgemische (C9-C14) (PDF / 764 KB). Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz 48 (2005) 803-813

Sagunski, H. und W. Heger: Richtwerte für die Innenraumluft: Naphthalin (PDF / 257 KB). Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz 47 (2004) 705-712

Sagunski, H. und B. Heinzow: Richtwerte für die Innenraumluft: Bicyclische Terpene (Leitsubstanz a-Pinen) (PDF / 225 KB). Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz 46 (2003) S. 346-352

Sagunski, H. und E. Rosskamp: Richtwerte für die Innenraumluft: Tris(2-chlorethyl)phosphat (PDF / 132 KB). Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz 45 (2002) S. 300-306

Wolf, T. und H. Stirn: Richtwerte für die Innenraumluft: Diisocyanate (PDF / 140 KB). Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz 43 (2000) S. 505-512

Seifert, B.: Richtwerte für die Innenraumluft: Die Beurteilung der Innenraumluftqualität mit Hilfe der Summe der flüchtigen organischen Verbindungen (TVOC-Wert) (PDF / 147 KB). Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz 42 (1999) S. 270-278

Link, B.: Richtwerte für die Innenraumluft: Quecksilber (PDF / 109 KB). Bundesgesundheitsblatt 42 (1999) S. 168-174

Sagunski, H.: Richtwerte für die Innenraumluft: Styrol (PDF / 486 KB). Bundesgesundheitsblatt 41 (1998) S. 392-421

Englert, N.: Richtwerte für die Innenraumluft: Stickstoffdioxid (PDF / 270 KB). Bundesgesundheitsblatt 41 (1998) S. 9-12

Ad-hoc-Arbeitsgruppe aus Mitgliedern der Innenraumlufthygiene-Kommission (IRK) des Umweltbundesamtes und des Ausschusses für Umwelthygiene der AGLMB. Richtwerte für die Innenraumluft: Pentachlorphenol. Bundesgesundheitsblatt 40 (1997) S. 234-236

Witten, J., H. Sagunski und B. Wildeboer: Richtwerte für die Innenraumluft: Dichlormethan (PDF / 499 KB). Bundesgesundheitsblatt 40 (1997) S. 278-284

Englert, N.: Richtwerte für die Innenraumluft: Kohlenmonoxid (PDF / 272 KB). Bundesgesundheitsblatt 40 (1997) S. 425-428

Ad-hoc-Arbeitsgruppe aus Mitgliedern der Innenraumlufthygiene-Kommission (IRK) des Umweltbundesamtes und des Ausschusses für Umwelthygiene der AGLMB. Richtwerte für die Innenraumluft: Basisschema (PDF / 317 KB). Bundesgesundheitsblatt 39 (1996) S. 422-425

Sagunski, H.: Richtwerte für die Innenraumluft: Toluol (PDF / 447 KB). Bundesgesundheitsblatt 39 (1996) S. 416-421

Flüchtige organische Verbindungen

Da die Innenraumluft viele organische Verbindungen enthält und Richtwerte nur für relativ wenige Einzelverunreinigungen zur Verfügung stehen, hat die IRK Maßstäbe zur Beurteilung der Innenraumluftqualität mit Hilfe der Summe der flüchtigen organischen Verbindungen (Total Volatile Organic Compounds, TVOC) erarbeitet. Diese TVOC-Werte sind jedoch nicht nach dem Basisschema abgeleitet. Zur Verdeutlichung der Unsicherheiten, die bei der Ableitung entstanden, wurden nicht einzelne Zahlenwerte, sondern Konzentrationsbereiche angegeben. Demzufolge ist in Räumen mit TVOC-Konzentrationen zwischen zehn und 25 Milligramm pro Kubikmeter ein täglicher Aufenthalt allenfalls vorübergehend zumutbar (derartige Konzentrationen können während Renovierungen vorkommen). In Räumen, die für einen längerfristigen Aufenthalt bestimmt sind, sollte auf Dauer ein TVOC-Wert zwischen einem und drei Milligramm pro Kubikmeter nicht überschritten werden. Das Ziel sollte sein, in Innenräumen im langzeitigen Mittel eine TVOC-Konzentration von 0,2 bis 0,3 Milligramm pro Kubikmeter zu erreichen oder nach Möglichkeit zu unterschreiten.

Wem nützen diese Richtwerte?

Innenraumrichtwerte kommen allen Menschen zugute. Sie helfen im Einzelfall zu klären, ob eine gesundheitlich bedenkliche Innenraumluftqualität besteht. Bei Streitigkeiten zwischen Vermieter und Mieter dienen sie als Grundlage der Gutachterbeurteilung, ob eine Wohnung „krank“ macht oder nicht. Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe beim Umweltbundesamt wird daher auch in Zukunft für weitere Innenraumschadstoffe Richtwerte ableiten und bestehende Werte auf ihre Gültigkeit nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen prüfen.

Quelle