Wärmedämmstoff, ökologisch: Unterschied zwischen den Versionen
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== Zuschlagstoffe und Bindemittel == | |||
Naturfaserdämmstoffe bestehen in der Regel zu einem sehr hohen Prozentsatz (> 80 %) aus natürlichen Fasern nachwachsender Rohstoffe. Hierdurch ergibt sich ein aus ökologischer Sicht großer Vorteil gegenüber den konventionellen Schaum-Dämmstoffen, mit ihren komplizierten Prozessketten auf Erdölbasis und zahlreichen toxischen Zwischenprodukten (siehe Prozessketten und Steckbriefe [[Polystyrol]] und [[Polyurethan]]). | |||
Vielen Produkten werden aber aus Gründen der Formstabilität, des [[Brandschutz]]es, des Schutzes vor tierischen Schädlingen oder aus produktionstechnischem Anlass Bindemittel und Zuschlagstoffe beigefügt. Manche dieser Stoffe sind natürliche Bestandteile, einige sind auf synthetischer Basis hergestellt und innerhalb der Naturbaustoff-Branche sehr umstritten. Dies sorgt dadurch immer wieder für kontroverse Diskussionen. | |||
Im Rahmen aktueller EU-Umweltgesetzgebungsverfahren – z. B. [[Biozid-Verordnung]] und [[REACH]]-Verordnung (neue europäische Chemikalienrichtlinie) – werden über 140.000 Stoffe in einem komplizierten, langwierigen Verfahren registriert und hinsichtlich ihrer [[Toxikologie|Toxizität]] neu bewertet. Betroffen sind dabei auch Stoffe, die Naturfaserdämmstoffen zugesetzt werden, z. B. [[PUR]]-haltige Kleber bei [[Holzfaserdämmstoff|Holzfaserplatten]] im Trockenverfahren oder [[Bor]]-Präparate bei [[Zellulose]]dämmstoffen, [[Holzfaserdämmstoff|Holzfaser-]], [[Hanf]]- oder [[Flachs]]produkten.<br /> | |||
Unabhängig von den weiteren EU-Gesetzgebungsverfahren sollten die betroffenen Hersteller von Naturfaserdämmstoffen zügig den Einsatz umweltverträglicherer Stoffe prüfen. Hausbesitzer, Planer und Handwerker können sich im Internet informieren, z. B. | |||
über www.umweltbundesamt.de oder www.positivlisten.info | |||
=== Bindemittel und Stützfasern === | |||
Insbesondere bei flexiblen Dämmplatten bzw. -matten (z. B. [[Holzfaserdämmstoff|Holzfaser]] und [[Hanf]]) werden zur Erhöhung der Stabilität Stützfasern als Bindemittel eingezogen, mit einem Anteil von beispielsweise 10–12%. Einige Hersteller setzen dabei auf textile Kunstfasern (z. B. Bikomponentenfaser auf [[Polyester]]basis), andere Hersteller verwenden natürliche Maisstärke, | |||
manche haben beide Varianten im Programm, wieder Andere setzen auch Kartoffelstärke ein (z. B. [[Flachs]]). Stopf[[hanf]] benötigt keinerlei Stützfasern. Als sogenanntes Fällungsmittel zur Lockerung der Naturfasern wird Aluminiumsulfat genutzt. Bei sachgerechter Anwendung vorgenannter Stoffe sind nach derzeitiger Kenntnis des Verfassers keine oder nur geringe gesundheitliche Probleme zu erwarten. Aus Gründen der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes sollten möglichst natürliche Bindemittel zum Einsatz kommen, wenngleich deren Produktionsprozess auch sehr aufwändig und teuer sein kann. | |||
Bei stärkeren einschichtigen, druckfesten Holzfaserplatten im Trockenverfahren wird nach derzeitiger Kenntnis des Verfassers vorwiegend/ausschließlich MDI/PMDI (Poly-Methylen-Diphenyl-di-Isocyanat) verwendet. [[Isocyanate]] sind chemisch sehr reaktive | |||
Stoffe aus der Chlorchemie. Ihre Herstellung erfolgt aus (Di)-Aminen und dem äußerst giftigen Phosgen, früher bekannt als Kampfstoff und aus dem Chemieunfall im indischen Bophal (Quelle: ökologisches Baustofflexikon). Toxische Stoffe sollten nach | |||
Meinung des Verfassers nicht in den Produktionsprozess von Naturfaser-Baustoffen einfließen, insbesondere wenn Alternativen vorhanden sind. Siehe auch [[Holzfaserdämmstoff#Trockenverfahren|Holzfaserdämmplatten im Trockenverfahren]] sowie Steckbrief / Prozesskette [[Polyurethan]]. | |||
Für die Produktion von [[Holzfaserdämmplatte]]n im Nassverfahren werden primär die Bindekräfte des holzeigenen Lignins genutzt. Als Bindemittel der unterschiedlichen Lagen zu stärkeren Dämmplatten wird Weißleim oder Wasserglas eingesetzt, siehe [[Holzfaserdämmstoff#Nassverfahren|Holzfaserdämmplatten im Nassverfahren]]. | |||
=== Brandschutz und vorbeugender Schutz gegen Schädlinge === | |||
Als umweltfreundliches Brandschutzmittel kommt bei manchen Herstellern Soda ([[Natriumcarbonat]]) zum Einsatz (Anteil beispielsweise 3-5%). Andere Hersteller verwenden Ammoniumpolyphospat, das laut „ökologischem Baustofflexikon“ als vergleichsweise | |||
gesundheits- und umweltverträglich gilt (Bewertung des [[Umweltbundesamt]]es, UBA-Texte 25/01: Anwendung unproblematisch). Die bislang insbesondere in [[Zellulose]]-Dämmstoffen eingesetzten [[borat]]haltigen Brandschutzmittel geraten zunehmend aus gesundheitlichen Gründen – insbesondere für die ausführenden Handwerker – in die Kritik. So ist [[Borsäure]] als sogenannter „Nichtnotifizierter alter biozider Wirkstoff gemäß EU-Verordnung 1451/2007“ wegen seines reproduktions-toxischen Potenzials gelistet. Derzeit wird im Rahmen der EU-Umweltgesetzgebung ein Verwendungsverbot von Borsäure über 5,5 % Anteil diskutiert. | |||
==Zusammenfassende Bewertung natürlicher Dämmstoffe== | |||
Umfassende Ökobilanzen berücksichtigen die umwelt- und gesundheitsrelevanten Aspekte von Bauprodukten in allen 6 Lebensphasen von der „Wiege bis zur Bahre“ (Rohstoffe, Transport, Produktion, Verarbeitung, Nutzung und Entsorgung). Bei dieser umfassenden Betrachtungsweise ergibt sich für [[Wärmedämmstoff|Dämmstoff]]e aus nachwachsenden Rohstoffen – abgesehen von wenigen Ausnahmefällen – ein insgesamt erfreulich positives Gesamtbild. | |||
Die '''Rohstoffe''' sind natürlichen Ursprungs und werden auch bei nachhaltiger Land- und Forstwirtschaft in einem überschaubaren Zeitraum wieder von der Natur bereitgestellt. | |||
Möglichst kurze '''Transportwege''' sind ein wichtiges Kriterium zur Unterstützung regionaler Wirtschaftskreisläufe. Die meisten Rohstoffe zur Herstellung von Naturfaserdämmstoffen werden in Mitteleuropa geerntet und verarbeitet. Sowohl Bauherr, als auch Architekt und Handwerker sollten zur Unterstützung regionaler Wirtschaftskreisläufe möglichst auf regionale Produkte achten und Rohstoffe, die weite Transportwege erfordern möglichst vermeiden. | |||
Die '''Produktion''' vieler Erzeugnisse (z. B. [[Flachs]], [[Hanf]], [[Schafwolle]] und [[Zellulose]]flocken) erfolgt in der Regel in einfachen Prozessketten mit geringem Energieaufwand. Bei der Herstellung verschiedener [[Kork]]-/[[Holzfaserdämmstoff|Holzfaseprodukte]] ist der Energieaufwand allerdings deutlich höher (s. Tabelle oben). Eventuelle Umweltbelastungen im Laufe des Lebenszyklus der Dämmstoffe hängen von den Zusatzstoffen und Bindemitteln in den Produkten ab. | |||
'''Gesundheitliche Auswirkungen für Bewohner''' sind bei sachgerechtem Einbau (Beachtung der Regeln der Technik und der Richtlinien des Herstellers) nach umfangreichen Recherchen des Verfassers - zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu erwarten. | |||
Die '''gesundheitlichen und ökologischen Risiken bei der Verarbeitung''' natürlicher Dämmstoffe sind unter Beachtung entsprechender Arbeitsschutzbedingungen gering. Die Staubentwicklung kann allerdings – z. B. beim Schneiden von [[Holzfaserdämmstoff]]en oder Einblasen von [[Zellulose]] – erheblich sein. Professionelle Schneidemaschinen mit Absaugvorrichtungen und gute Feinstaub-Schutzmasken beim Einblasen sollten deshalb zur obligatorischen Ausrüstung des ausführenden Handwerkbetriebs gehören. | |||
'''Rückbau und Entsorgung bzw. Wiederaufbereitung''' lose eingebauter Dämmstoffe ist im Regelfall ohne größere Probleme möglich (z. B. [[Zellulose]], [[Hanf]], [[Holzfaserdämmstoff|Holzfaser]], etc.). Auch eine thermische Verwertung wegen des günstigen Heizwertes der natürlichen Dämmstoffe ist möglich und sinnvoll. Die Trennung und Wiederaufbereitung sämtlicher großflächig verklebter und gedübelter [[Wärmedämmverbundsystem]]e erfordert allerdings einen sehr hohen Aufwand und findet in der Praxis deshalb kaum statt. Das größte langfristige Umweltrisiko ist nach derzeitigem Wissensstand des Verfassers durch deponierte [[Polystyrol]]dämmstoffe wegen deren persistenter und bioakkumulativer Wirkung des Flammschutzmittels HBCD zu erwarten. | |||
Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber hier künftig erhöhte Anforderungen vorschreibt. | |||
===Verbraucherschutz=== | |||
Der Hausbesitzer erwartet bei seiner Entscheidung für Naturfaserprodukte in der Regel auch ein ökologisch hochwertiges Naturprodukt. Größtmöglicher Verbraucherschutz wird durch Volldeklarationen der Hersteller erreicht. Derzeit mangelt die Transparenz nicht nur bei konventionellen, sondern leider auch bei einigen „ökologischen Bauprodukten“. Verschiedene Gütesiegel (s. auch [[privatrechtliche Güte- und Qualitätssiegel]]) bringen einen erhöhten Gesundheits- und Verbraucherschutz. Derzeit bietet z. B. das Label [[natureplus]] höhere Sicherheit für den Konsumenten bei Gebrauchstauglichkeit, Umweltverträglichkeit und Gesundheitsvorsorge. Allerdings hat der Konsument bei [[natureplus]] keinen Zugriff auf die Volldeklaration. Ein Schwachpunkt aus Verbrauchersicht, insbesondere vor dem Hintergrund, der Zertifizierung von [[Holzfaserdämmstoff|Holzfaserdämmplatten]] mit [[Isocyanate|isocyanathaltigen]] Bindemitteln, s. [[Holzfaserdämmstoff#Trockenverfahren|Trockenverfahren]]. | |||
==Quelle== | ==Quelle== | ||
Herbert Danner, Baubiologe (IBN), [[Bauzentrum München]], [http://www.muenchen.de/ | Herbert Danner, Baubiologe (IBN), [[Bauzentrum München]], [http://www.muenchen.de/media/lhm/_de/rubriken/Rathaus/rgu/beratung_foerderung/bauzentr/pdf/2010/06_10/oekolog_waermedaemmstoffe_v_2_pdf.pdf Ökologische Wärmedämmstoffe im Vergleich 2.0], Juni 2010, S. 17, 18, 34-36 | ||
== Einzelnachweis == | == Einzelnachweis == |
Aktuelle Version vom 3. Dezember 2019, 08:25 Uhr
Betrachtung der Vor- und Nachteile ökologischer Dämmstoffe in der Praxis
Das Kostenargument
Konventionelle Dämmstoffe können wegen größerer Produktionsmengen günstiger angeboten werden als die meisten Naturdämmstoffe. Das gilt aber nicht in jedem Fall. Der Dämmstoff Zellulose, ist preislich konkurrenzfähig, vor allem bei Einblasdämmung von Hohlräumen. Auch andere Naturbaustoffe liegen preislich durchaus im Rahmen, insbesondere, wenn neben dem Materialpreis auch die Handwerksleistung berücksichtigt wird.
bauphysikalische Nachteile
Naturfaserdämmstoffe erfüllen derzeit keine erhöhten Brandschutzanforderungen, wie sie die Landesbauordnungen für bestimmte Gebäude fordern, und sind deshalb nur bei einer eingeschränkten Auswahl an Gebäuden einsetzbar. Ebenso wenig sind sie im Perimeterbereich und auf Flachdächern bauaufsichtlich zugelassen.
Konventionelle Dämmstoffe sind teilweise in WLG 0,022 – 0,035 eingestuft und erreichen dadurch mit geringeren Dämmstoffstärken eine ähnlich gute Wärmedämmung wie Naturfaserdämmstoffe mit WLG 0,040 bei dickeren Dämmstoffschichten. Bei Wärmedämmverbundsystemen aus Holzfaserdämmstoffen im Nassverfahren werden derzeit nur Dämmstoffstärken bis maximal 16 cm angeboten. Dies reicht unter Umständen nicht aus, um spezielle Fördergelder zu erhalten. Eine 2-lagige Wärmedämmung ist zwar technisch möglich, aber mit einem erhöhten Aufwand und höheren Kosten verbunden.
bauphysikalische Vorteile
Dämmstoffe aus Naturfasern zeichnen sich durch ihre günstige Dampfdiffusionsfähigkeit aus, d. h. dass Feuchte, die in den Dämmstoff eingedrungen ist auch leicht wieder ausdiffundieren kann. Sie können aufgrund ihrer hygroskopischen Faserstruktur deutlich mehr Feuchtigkeit aufnehmen (Sorptionsfähigkeit) als die meisten konventionelle Dämmstoffe ohne gleichzeitig ihre günstigen Wärmedämmeigenschaften einzubüßen. [1] |
Vereinzelte Naturdämmstoffe verfügen neben günstiger Wärmeleitfähigkeit von WLG 0,040 über eine hohe Rohdichte sowie eine hohe spezifische Wärmekapazität und dadurch sowohl über einen guten sommerlichen Hitze- als auch winterlichen Wärmeschutz. Verschiedene Forschungsergebnisse zum Thema bestätigen dies. Das Fraunhofer Institut für Bauphysik (FIB) kommt in einer Versuchsreihe zu dem Ergebnis, dass insbesondere schwere Holzfaserdämmstoffe die Temperaturspitzen deutlich abmildern können und die Raumtemperaturen insgesamt wesentlich ausgeglichener sind, als beispielsweise bei leichter Mineralwolle. [1] |
Allerdings spielen beim sommerlichen Wärmeschutz noch andere Faktoren eine wesentliche Rolle, z. B. der Standort des Gebäudes, Fläche und Verschattung von Fenstern, die Lüftung und die Wärmespeicherkapazität von Wänden, Fußböden und Decken.
Eigenleistung
Grundsätzlich eignen sich Naturfaserdämmstoffe für Eigenleistung geschickter Heimwerker. Sie sind in der Regel einfach und gesundheitsfreundlich zu verarbeiten, insbesondere Hohlraumschüttungen und Zwischensparrendämmungen. Eine gute Atemschutzmaske ist dennoch bei Arbeiten mit hoher Staub- bzw. Faserbelastung anzuraten. Dämmungen im
Einblasverfahren sind Aufgabe von Fachbetrieben.
Problem Bauphysik: Allerdings erfordert der fachgerechte Einbau von Dämmstoffen zumindest bauphysikalische Grundkenntnisse. Deshalb sollte ein Fachplaner konsultiert werden, der Problemstellen entdecken und Empfehlungen geben kann, bzw. in der Lage ist ein Sanierungskonzept auszuarbeiten. Ohne Berücksichtigung wichtiger Detailfragen
erwächst ein bauphysikalisches Risiko, das erhebliche Bauschäden und hohe Kosten zur Folge haben kann.
Ökobilanz von Wärmedämmstoffen
- Siehe: Ökobilanz
Zuschlagstoffe und Bindemittel
Naturfaserdämmstoffe bestehen in der Regel zu einem sehr hohen Prozentsatz (> 80 %) aus natürlichen Fasern nachwachsender Rohstoffe. Hierdurch ergibt sich ein aus ökologischer Sicht großer Vorteil gegenüber den konventionellen Schaum-Dämmstoffen, mit ihren komplizierten Prozessketten auf Erdölbasis und zahlreichen toxischen Zwischenprodukten (siehe Prozessketten und Steckbriefe Polystyrol und Polyurethan).
Vielen Produkten werden aber aus Gründen der Formstabilität, des Brandschutzes, des Schutzes vor tierischen Schädlingen oder aus produktionstechnischem Anlass Bindemittel und Zuschlagstoffe beigefügt. Manche dieser Stoffe sind natürliche Bestandteile, einige sind auf synthetischer Basis hergestellt und innerhalb der Naturbaustoff-Branche sehr umstritten. Dies sorgt dadurch immer wieder für kontroverse Diskussionen.
Im Rahmen aktueller EU-Umweltgesetzgebungsverfahren – z. B. Biozid-Verordnung und REACH-Verordnung (neue europäische Chemikalienrichtlinie) – werden über 140.000 Stoffe in einem komplizierten, langwierigen Verfahren registriert und hinsichtlich ihrer Toxizität neu bewertet. Betroffen sind dabei auch Stoffe, die Naturfaserdämmstoffen zugesetzt werden, z. B. PUR-haltige Kleber bei Holzfaserplatten im Trockenverfahren oder Bor-Präparate bei Zellulosedämmstoffen, Holzfaser-, Hanf- oder Flachsprodukten.
Unabhängig von den weiteren EU-Gesetzgebungsverfahren sollten die betroffenen Hersteller von Naturfaserdämmstoffen zügig den Einsatz umweltverträglicherer Stoffe prüfen. Hausbesitzer, Planer und Handwerker können sich im Internet informieren, z. B.
über www.umweltbundesamt.de oder www.positivlisten.info
Bindemittel und Stützfasern
Insbesondere bei flexiblen Dämmplatten bzw. -matten (z. B. Holzfaser und Hanf) werden zur Erhöhung der Stabilität Stützfasern als Bindemittel eingezogen, mit einem Anteil von beispielsweise 10–12%. Einige Hersteller setzen dabei auf textile Kunstfasern (z. B. Bikomponentenfaser auf Polyesterbasis), andere Hersteller verwenden natürliche Maisstärke, manche haben beide Varianten im Programm, wieder Andere setzen auch Kartoffelstärke ein (z. B. Flachs). Stopfhanf benötigt keinerlei Stützfasern. Als sogenanntes Fällungsmittel zur Lockerung der Naturfasern wird Aluminiumsulfat genutzt. Bei sachgerechter Anwendung vorgenannter Stoffe sind nach derzeitiger Kenntnis des Verfassers keine oder nur geringe gesundheitliche Probleme zu erwarten. Aus Gründen der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes sollten möglichst natürliche Bindemittel zum Einsatz kommen, wenngleich deren Produktionsprozess auch sehr aufwändig und teuer sein kann.
Bei stärkeren einschichtigen, druckfesten Holzfaserplatten im Trockenverfahren wird nach derzeitiger Kenntnis des Verfassers vorwiegend/ausschließlich MDI/PMDI (Poly-Methylen-Diphenyl-di-Isocyanat) verwendet. Isocyanate sind chemisch sehr reaktive Stoffe aus der Chlorchemie. Ihre Herstellung erfolgt aus (Di)-Aminen und dem äußerst giftigen Phosgen, früher bekannt als Kampfstoff und aus dem Chemieunfall im indischen Bophal (Quelle: ökologisches Baustofflexikon). Toxische Stoffe sollten nach Meinung des Verfassers nicht in den Produktionsprozess von Naturfaser-Baustoffen einfließen, insbesondere wenn Alternativen vorhanden sind. Siehe auch Holzfaserdämmplatten im Trockenverfahren sowie Steckbrief / Prozesskette Polyurethan.
Für die Produktion von Holzfaserdämmplatten im Nassverfahren werden primär die Bindekräfte des holzeigenen Lignins genutzt. Als Bindemittel der unterschiedlichen Lagen zu stärkeren Dämmplatten wird Weißleim oder Wasserglas eingesetzt, siehe Holzfaserdämmplatten im Nassverfahren.
Brandschutz und vorbeugender Schutz gegen Schädlinge
Als umweltfreundliches Brandschutzmittel kommt bei manchen Herstellern Soda (Natriumcarbonat) zum Einsatz (Anteil beispielsweise 3-5%). Andere Hersteller verwenden Ammoniumpolyphospat, das laut „ökologischem Baustofflexikon“ als vergleichsweise gesundheits- und umweltverträglich gilt (Bewertung des Umweltbundesamtes, UBA-Texte 25/01: Anwendung unproblematisch). Die bislang insbesondere in Zellulose-Dämmstoffen eingesetzten borathaltigen Brandschutzmittel geraten zunehmend aus gesundheitlichen Gründen – insbesondere für die ausführenden Handwerker – in die Kritik. So ist Borsäure als sogenannter „Nichtnotifizierter alter biozider Wirkstoff gemäß EU-Verordnung 1451/2007“ wegen seines reproduktions-toxischen Potenzials gelistet. Derzeit wird im Rahmen der EU-Umweltgesetzgebung ein Verwendungsverbot von Borsäure über 5,5 % Anteil diskutiert.
Zusammenfassende Bewertung natürlicher Dämmstoffe
Umfassende Ökobilanzen berücksichtigen die umwelt- und gesundheitsrelevanten Aspekte von Bauprodukten in allen 6 Lebensphasen von der „Wiege bis zur Bahre“ (Rohstoffe, Transport, Produktion, Verarbeitung, Nutzung und Entsorgung). Bei dieser umfassenden Betrachtungsweise ergibt sich für Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen – abgesehen von wenigen Ausnahmefällen – ein insgesamt erfreulich positives Gesamtbild.
Die Rohstoffe sind natürlichen Ursprungs und werden auch bei nachhaltiger Land- und Forstwirtschaft in einem überschaubaren Zeitraum wieder von der Natur bereitgestellt.
Möglichst kurze Transportwege sind ein wichtiges Kriterium zur Unterstützung regionaler Wirtschaftskreisläufe. Die meisten Rohstoffe zur Herstellung von Naturfaserdämmstoffen werden in Mitteleuropa geerntet und verarbeitet. Sowohl Bauherr, als auch Architekt und Handwerker sollten zur Unterstützung regionaler Wirtschaftskreisläufe möglichst auf regionale Produkte achten und Rohstoffe, die weite Transportwege erfordern möglichst vermeiden.
Die Produktion vieler Erzeugnisse (z. B. Flachs, Hanf, Schafwolle und Zelluloseflocken) erfolgt in der Regel in einfachen Prozessketten mit geringem Energieaufwand. Bei der Herstellung verschiedener Kork-/Holzfaseprodukte ist der Energieaufwand allerdings deutlich höher (s. Tabelle oben). Eventuelle Umweltbelastungen im Laufe des Lebenszyklus der Dämmstoffe hängen von den Zusatzstoffen und Bindemitteln in den Produkten ab.
Gesundheitliche Auswirkungen für Bewohner sind bei sachgerechtem Einbau (Beachtung der Regeln der Technik und der Richtlinien des Herstellers) nach umfangreichen Recherchen des Verfassers - zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu erwarten.
Die gesundheitlichen und ökologischen Risiken bei der Verarbeitung natürlicher Dämmstoffe sind unter Beachtung entsprechender Arbeitsschutzbedingungen gering. Die Staubentwicklung kann allerdings – z. B. beim Schneiden von Holzfaserdämmstoffen oder Einblasen von Zellulose – erheblich sein. Professionelle Schneidemaschinen mit Absaugvorrichtungen und gute Feinstaub-Schutzmasken beim Einblasen sollten deshalb zur obligatorischen Ausrüstung des ausführenden Handwerkbetriebs gehören.
Rückbau und Entsorgung bzw. Wiederaufbereitung lose eingebauter Dämmstoffe ist im Regelfall ohne größere Probleme möglich (z. B. Zellulose, Hanf, Holzfaser, etc.). Auch eine thermische Verwertung wegen des günstigen Heizwertes der natürlichen Dämmstoffe ist möglich und sinnvoll. Die Trennung und Wiederaufbereitung sämtlicher großflächig verklebter und gedübelter Wärmedämmverbundsysteme erfordert allerdings einen sehr hohen Aufwand und findet in der Praxis deshalb kaum statt. Das größte langfristige Umweltrisiko ist nach derzeitigem Wissensstand des Verfassers durch deponierte Polystyroldämmstoffe wegen deren persistenter und bioakkumulativer Wirkung des Flammschutzmittels HBCD zu erwarten. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber hier künftig erhöhte Anforderungen vorschreibt.
Verbraucherschutz
Der Hausbesitzer erwartet bei seiner Entscheidung für Naturfaserprodukte in der Regel auch ein ökologisch hochwertiges Naturprodukt. Größtmöglicher Verbraucherschutz wird durch Volldeklarationen der Hersteller erreicht. Derzeit mangelt die Transparenz nicht nur bei konventionellen, sondern leider auch bei einigen „ökologischen Bauprodukten“. Verschiedene Gütesiegel (s. auch privatrechtliche Güte- und Qualitätssiegel) bringen einen erhöhten Gesundheits- und Verbraucherschutz. Derzeit bietet z. B. das Label natureplus höhere Sicherheit für den Konsumenten bei Gebrauchstauglichkeit, Umweltverträglichkeit und Gesundheitsvorsorge. Allerdings hat der Konsument bei natureplus keinen Zugriff auf die Volldeklaration. Ein Schwachpunkt aus Verbrauchersicht, insbesondere vor dem Hintergrund, der Zertifizierung von Holzfaserdämmplatten mit isocyanathaltigen Bindemitteln, s. Trockenverfahren.
Quelle
Herbert Danner, Baubiologe (IBN), Bauzentrum München, Ökologische Wärmedämmstoffe im Vergleich 2.0, Juni 2010, S. 17, 18, 34-36
Einzelnachweis
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 Fraunhofer Institut, Vortrag zum Fachforum ökologische Dämmstoffe, Bauzentrum München, 26.4.2010.