Erneuerbare Energien

Unter erneuerbaren Energien (auch regenerative Energien) versteht man jene Form der Energiequellen, die nicht auf fossile Energieträger basiert. Sie nutzen die in der Umwelt vorhandene und sich durch natürliche Vorgänge erneuernde Energieformen und stehen somit nach den Zeitmaßstäben des Menschen unendlich lange zur Verfügung. Dazu zählen:

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Potenziale und Perspektiven

Nachfolgendes entnommen aus erneuerbare_energien_entwicklung.pdf von 2002 (!)

Das globale natürliche Energieangebot

Auf unserer Erde sorgt ein außerordentlich großes Angebot an unerschöpflichen Energieströmen dafür, dass ein Vielfaches unseres Energiebedarfs ohne Rückgriff auf endliche Energieträger gedeckt werden könnte. Diese Energieströme müssen mit den Technologien (siehe Navigation unten) nutzbar gemacht werden. Mit diesen erneuerbaren Energietechnologien lassen sich wesentliche Leitlinien einer nachhaltigen Energieversorgung erfüllen. Zur Verfügung stehen die auf die Kontinente eingestrahlte Solarenergie, die kinetische Energie des Windes und der Meereswellen und Meeresströmungen, die jährlich nachwachsende Biomasse, die potenzielle Energie des Wassers, die geothermische Energie und die Wärmeenergie der Meere.

Diese Energieströme entsprechen etwa dem 3.000-fachen des derzeitigen jährlichen Weltenergieverbrauchs. Aus diesem physikalischen Potenzial erneuerbarer Energien lassen sich die technischen Nutzungspotenziale ableiten, welche die möglichen Energieerträge in einer für den Endverbraucher nutzbaren Form – also Nutzwärme verschiedener Temperatur, Elektrizität und Brenn- oder Treibstoffe, z. B. Wasserstoff – beschreiben. Bei der Ermittlung dieser Potenziale sind verschiedene Kriterien zu beachten:

  • Grenzen für Wirkungsgrade, Anlagengrößen und technische Entwicklungspotenziale der derzeit oder in absehbarer Zeit verfügbaren Nutzungstechniken;
  • strukturelle Restriktionen wie Nutzungseinschränkungen infolge
    • Ortsgebundenheit (z. B. Erdwärme), begrenzter Transportradius (z.B. Biomasse), Verfügbarkeit von Flächen oder
    • Konkurrenznutzung (z.B. Kollektoren, Solarzellen, Energiepflanzenanbau),
    • nicht vorhandener Infrastruktur (z.B. fehlende Wärmenetze),
    • begrenzte Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit der Energiedarbietung (z.B. Strom aus fluktuierenden Quellen wie Wind oder Solarstrahlung);
  • ökologische Restriktionen hinsichtlich
    • Flächenbeanspruchung (z. B. Windenergie), Beeinträchtigung von Fließgewässern (z. B. Wasserkraft) und
    • Landschaftsbildern (Windenergie) oder
    • eingeschränkter Nutzungsmöglichkeiten von Biomasse (z. B. Reststoffe aus Forst- und Landwirtschaft, Energiepflanzenanbau).

Technische Potenziale erneuerbarer Energien sind somit keine für alle Zeiten unverrückbare Größen. Sie liefern lediglich einen abgesicherten Orientierungsrahmen für das technisch Machbare innerhalb eines längerfristigen Betrachtungszeitraums und zeigen, welche Bedeutung die einzelnen Energiequellen und Nutzungstechnologien für die betrachteten Länder oder Regionen haben können.

Unter Beachtung dieser Kriterien sind von den natürlichen Energieströmen nur wenige Promille (Solarstrahlung, Wind) bis Prozente (Biomasse, Erdwärme) in energetisch konzentrierter Form – d. h. in Form von Sekundärenergieträgern – nutzbar. Lediglich bei der bereits konzentrierten Wasserkraft ist eine technische Nutzung im Bereich von 10 % möglich. Das global insgesamt technisch nutzbare Potenzial der erneuerbaren Energien liegt aber selbst bei strengen Restriktionen in der Größenordnung des Sechsfachen des derzeitigen weltweiten Verbrauchs an Endenergie. Etwa 65 % davon stellt die Strahlungsenergie.

Erneuerbare Energien können also auch einen noch steigenden Energiebedarf der Menschheit prinzipiell vollständig und auf Dauer decken. Beiträge erneuerbarer Energiequellen im Bereich von 50 % und mehr am Weltenergieverbrauch werden dementsprechend bereits bis zur Mitte des nächsten Jahrhunderts (Information aus dem 20. Jahrhundert) für möglich gehalten.

Tatsächlich decken jedoch erneuerbare Energien derzeit erst 4 % des Weltenergieverbrauchs bzw. 19 % des globalen Stromverbrauchs, wenn man die ökologisch sehr problematische Brennholznutzung in weniger entwickelten Ländern außer Betracht lässt. Und ohne ihre heutige Hauptstütze, die Wasserkraft, sind es lediglich 0,2 % Anteil am gesamten Weltverbrauch.

Aufgrund der regionalen Gebundenheit bzw. der Angebotsdifferenzen erneuerbarer Energien ergeben sich auf Länderebene sehr unterschiedlich strukturierte Potenzialwerte. In praktisch jedem Land harren jedoch attraktive Segmente der Nutzung. Auf absehbare Zeit werden diese heimischen Potenziale der Orientierungsrahmen für die nationale Erschließung sein, da sie im Allgemeinen erst innerhalb von Jahrzehnten erschlossen werden können. Wegen der Dominanz der Strahlungsenergie haben südliche Länder hohe Potenziale, die selbst ihren zukünftig denkbaren Verbrauch bei weitem übersteigen. Da längerfristig mittels Elektrizität oder chemischer Energieträger auch ein kontinentaler Energieaustausch bzw. eine globale Versorgung auf der Basis erneuerbarer Energien technisch möglich ist – ähnlich wie dies heute mit Erdgas und – in Grenzen – auch mit Elektrizität bereits der Fall ist – können derartige Länder, wenn sie ihren Energiebedarf selber hinreichend gestillt haben, in einigen Jahrzehnten Exportregionen für entsprechende aus erneuerbaren Energiequellen gewonnene Energieträger werden. Dies bringt erhebliche Vorteile für beide Partner, da sich gemeinsam wesentlich größere Nutzungspotenziale zu beider Nutzen erschließen lassen. Eine sozial und ökologisch verträgliche Übertragung der Energieströme vorausgesetzt, ist eine derartige Strategie in vollem Einklang mit der [[Leitlinie “Internationaler Kooperation”]] einer nachhaltigen Energiewirtschaft.

Potenziale in und für Deutschland und ihre Kosten

Bezogen auf die gesamte Primärenergie beträgt das Potenzial der innerhalb Deutschlands nutzbaren erneuerbaren Energiequellen 6.500 PJ/a, was rund 50 % des derzeitigen Primärenergieverbrauchs entspricht. Wenn es gelingt, den Energiebedarf in Deutschland zu senken, kann der Anteil der erneuerbaren Energien entsprechend deutlich über diese 50 % steigen. Die einzelnen Potenzialwerte wurden in dieser Berechnung bewusst restriktiv gewählt, was die genutzten Flächen für Kollektoren, für Windkraftanlagen oder für Energiepflanzen betrifft. Außerdem wurde, wie statistisch vereinbart, Strom aus Wasser-, Wind- und Solaranlagen im Verhältnis 1:1 als Primärenergie definiert. Trotzdem sind erneuerbare Energien damit die bedeutendste heimische Energiequelle. Und ebenso wie bei den heutigen fossilen Energien können auch aus erneuerbaren Energien gewonnene Energieträger zu einem späteren Zeitpunkt – aus Potenzialsicht in praktisch unbegrenzter Menge – importiert werden. Nimmt man sie vorerst lediglich als Merkposten in geringem Umfang von etwa 10 % des heimischen Potenzialwerts in das Referenzpotenzial auf, so lautet der entsprechende Wert für die bereitstellbare Primärenergie aus erneuerbaren Energien 7.200 PJ/a. Mit rund 300 PJ/a werden derzeit lediglich 4 % dieses Potenzials genutzt.

Wichtiger als die reinen Potenzialangaben sind die zu einem bestimmten Zeitpunkt nutzbaren Potenzialsegmente, denn nicht alle der in obigem Referenzpotenzial eingeschlossenen Energiemengen sind unmittelbar heute nutzbar. Von großer Bedeutung ist diesbezüglich ihre Aufteilung in Kostenklassen und die Berücksichtigung der zukünftig möglichen Kostensenkungen.

Außer der Wasserkraft und der Biomasse besitzen alle Technologien noch teilweise beträchtliche Möglichkeiten einer Kostenreduktion. Sie hängen wesentlich vom weiteren technischen Fortschritt und von den Marktumsätzen ab. Am Beispiel der Windenergie konnte in der jüngsten Zeit gezeigt werden, dass sich erhebliche Kostensenkungen verwirklichen lassen. Aus der Analyse der Kostenentwicklung in der Vergangenheit, dem Vergleich mit anderen, den Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien fertigungstechnisch vergleichbaren Anlagen, und aus Annahmen über die zu erwartenden Marktumsätze lassen sich die zukünftig erreichbaren Kostenreduktionen dieser Energietechniken ermitteln. Man kann sie näherungsweise aus Lernkurven ableiten, die angeben um welchen Prozentsatz die Kosten einer Technologie sinken, wenn sich ihr Umsatz verdoppelt. Typische Werte liegen zwischen 10 und 30 %.

Orientiert man sich an den erforderlichen Zuwächsen für einen energiewirtschaftlich relevanten Beitrag erneuerbarer Energien innerhalb der nächsten Jahrzehnte, z.B. an den Vorstellungen des EU-Weißbuchs oder am Verdopplungsziel 2010 der Bundesregierung, so müssen sich dazu die jährlichen Zubauleistungen der meisten Technologien – mit Ausnahme der Windenergie – gut verzehnfachen. Tritt dieses Wachstum ein, so könnten die Kosten von Windenergie innerhalb der nächsten 10 bis 20 Jahre auf etwa 65 %, von Photovoltaik auf etwa 25 %, von größeren Kollektoranlagen auf 35 %, von Biomasseanlagen auf 80 % und von solarthermischen Kraftwerken auf 60 % des heutigen Wertes sinken. Der Zusammenhang zwischen Marktwachstum und Kostensenkung ist von wesentlicher Bedeutung für die Ausgestaltung von Fördermaßnahmen, die eine längerfristig wirksame Mobilisierung der regenerativen Energien zum Ziele haben. Sie müssen in jedem Fall so wirksam sein, dass sie ein ausreichend großes Marktvolumen mobilisieren, damit sich die Technologien in hinreichend kurzer Zeit auf dem Energiemarkt behaupten können.

Das kostengünstigste Potenzialsegment im Strombereich mit Kosten bis zu 0,075 Euro/kWh beläuft sich derzeit auf rund 25 TWh pro Jahr Strom aus der restlichen Wasserkraft, aus Biomasse und aus der Nutzung der Windenergie an günstigen Standorten. Zwischen 0,075 und 0,125 Euro/kWh liegen rund 65 TWh pro Jahr. Weitere jährliche 190 TWh kosten mehr als 0,125 Euro/kWh, davon allein 150 TWh pro Jahr die Photovoltaik.

Wird die Marktentwicklung aller Technologien ausreichend stimuliert, so wächst das kostengünstige Potenzialsegment mit Kosten zwischen 0,05 und 0,075 Euro/kWh infolge Kostendegressionen und Marktzutritt neuer Technologien (Offshore-Wind, Geothermie) bis 2010 auf rund 90 TWh pro Jahr. Aus demselben Grund wächst das Gesamtpotenzial auf rund 450 TWh pro Jahr.

Längerfristig, also nach 2020, kann durch weitere Mobilisierung aller Technologien das kostengünstige Potenzialsegment auf rund 350 TWh pro Jahr anwachsen. Das Gesamtpotenzial überschreitet 600 TWh pro Jahr und damit die heutige Stromerzeugung. Gründe dafür sind der dann mögliche Stromimport aus erneuerbaren Energien, die breite Ausnutzung von Windpotenzialen auf dem Meer (Offshore) und die Potenziale der Stromerzeugung aus Erdwärme. Die bereitstellbare Strommenge des Referenzpotenzials kommt zu etwa zwei Dritteln aus den fluktuierenden Quellen Wind und Solarstrahlung. Eine sehr weitgehende Erschließung dieser Potenziale verlangt daher eine Umgestaltung der Kraftwerksstruktur mit deutlichen Veränderungen beim Lastmanagement, der Reservehaltung und der Kraftwerksregelung. Da sich dieser Prozess jedoch über Jahrzehnte hinzieht, kann er im Rahmen der üblichen Investitionszyklen unter stetiger Nutzung des technischen Fortschritts durchgeführt werden.

In ähnlicher Weise wie das Stromerzeugungspotenzial lässt sich das Potenzial zur Nutzwärmebereitstellung strukturieren. Insgesamt ergibt sich ein Nutzungspotenzial von 3.500 PJ pro Jahr (Endenergie), was rund 65 % der derzeitig zur Wärmeerzeugung eingesetzten Brennstoffmenge entspricht. Wärme aus erneuerbaren Energien kann durch Einzelsysteme (z.B. Holzheizkessel, Warmwasser-Kollektoren) und mittels Wärmenetze bereitgestellt werden. Letztere spielen bei einer weitgehenden Erschließung des Wärmemarktes eine sehr große Rolle. Vielfach ist nur mit Wärmenetzen eine Nutzung möglich (Erdwärme, Kollektorwärme für Raumheizung in größerem Ausmaß, Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung mit Biomasse). Durch die Wärmeverteilung verteuert sich die Wärme. Typische Wärmeverteilkosten von Nahwärmenetzen liegen zwischen 2 und 3 Cent/kWh. Da aber größere zentrale Heizanlagen geringere spezifische Kosten als Kleinanlagen für Einzelgebäude aufweisen, sind die Gesamtwärmekosten auf der Basis von Nahwärmeversorgungen bei sorgfältiger Auslegung und vollständiger Nutzung des Netzes oft geringer als diejenigen von Einzelheizungen. Zu beachten ist, dass solche Wärmenetze auch in bereits bestehenden Siedlungsquartieren errichtet werden müssen, wenn die Potenziale erneuerbarer Energien in ausreichendem Maße erschlossen werden sollen.

Etwa zwei Drittel des Wärmepotenzials steht jedoch derzeit aus strukturellen und technischen Gründen noch nicht unmittelbar zur Verfügung. Das betrifft solare Nahwärmeanlagen zur Raumheizung mit saisonalem Speicher, die Nutzung von Wärme aus tiefen Bodenschichten und Biomasse aus Energieplantagen. Das preisgünstige Potenzial unter 0,075 Euro/kWh in Höhe von derzeit knapp 350 PJ/a, welches bei einem Heizölpreis von etwa 0,5 Euro/l wirtschaftlich ist, besteht ausschließlich aus Biomassereststoffen. Kostensenkungen, insbesondere bei Kollektoranlagen, erhöhen dieses Potenzial bis zum Zeitpunkt 2010 auf rund 850 PJ/a. Ist im Jahr 2020 das technische Potenzial vollständig erschließbar, so kann etwa 40 % davon (1.400 PJ/a) in diese Kostenkategorie eingestuft werden.

Aus der bisher geringen Ausschöpfung des Potenzials der erneuerbaren Energien sollte nicht der Schluss gezogen werden, dass allein wirtschaftliche Erwägungen eine schnelle Ausweitung erneuerbarer Energien beeinträchtigen. Von ebenso großer Bedeutung für ihre kontinuierliche, möglichst ungestörte Erschließung ist die Berücksichtigung der Investitionszyklen im Gebäude- und Kraftwerksbereich. Ein beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien erfordert daher ihre rechtzeitige und vorrangige Einbeziehung in alle Planungen und Investitionsentscheidungen, welche die Energieversorgung, vor allem aber den Siedlungsbereich betreffen.


Erneuerbare Energien für Entwicklungsländer

Aus der Sicht der Energieversorgung werden Entwicklungsländer gewöhnlich mit dezentralen, d.h. nicht oder nur wenig vernetzten, Versorgungsstrukturen gleichgesetzt, also mit isolierten Verbrauchern, die keinen Zugang zu einem Stromnetz haben und die wegen geringer Einkommen nur in geringem Maße über Öl verfügen. Dies trifft heute in der Tat für rund zwei Drittel (knapp 3 Mrd. Menschen) der Bevölkerung der Entwicklungsländer bzw. die Hälfte der Menschheit zu. Rund 2 Mrd. Menschen verfügen über keine Stromversorgung aus Stromnetzen. Sie sind im Wesentlichen auf die am wenigsten entwickelten Länder konzentriert. Dort ist auch der Verbrauch nichtkommerzieller Energie, also von Brennholz hauptsächlich für Kochzwecke, am höchsten. Er ist in vielen Ländern ebenso hoch wie der Verbrauch kommerzieller Energie. Vielen Menschen in diesen Ländern gelingt ein Überleben nur dank des zeitaufwändigen, körperlich anstrengenden, aber dennoch unproduktiven und ökologisch bedenklichen Sammelns von Brennholz.

Gleichzeitig befinden sich die Entwicklungsländer jedoch in einem unaufhaltsamen Urbanisierungsprozess. Bereits in 15 Jahren werden die Hälfte ihrer Menschen (2015 insgesamt 6 Mrd.) in Städten wohnen, die oftmals deutlich größer sind als die der nördlichen Hemisphäre. Von den derzeit 15 Städten über 10 Mio. Einwohner befinden sich 11 mit zusammen 140 Mio. Menschen in Entwicklungsländern, wobei Mexico City, São Paulo und Bombay die größten sind. Im Jahr 2010 werden bereits mehr als 20 Städte dieser Größe mit dann 350 Mio. Menschen in den Entwicklungsländern zu finden sein. Eine weitere Mrd. Menschen wird in Städten mit über 1 Mio. Einwohner leben.

Diese Entwicklung ist auch für die Ausgestaltung der zukünftigen Energieversorgung in diesen Ländern von großer Bedeutung. Sie stehen vor einer weit größeren Herausforderung als die Industrieländer, wenn es um die Annäherung an eine nachhaltige Energieversorgung geht. Sie muss nämlich gleichermaßen für beide Bereiche – stark wachsende Ballungsräume und ländliche Regionen – nachhaltige Lösungsansätze anbieten. Erneuerbare Energien stehen in diesen Ländern aus Potenzialsicht zwar reichlich zur Verfügung. Sie können allerdings nur mit technischer und vor allem finanzieller Hilfe der Industrieländer im notwendigen Maße erschlossen werden. Auch Effizienzsteigerungen bei der Erzeugung (Kraft-Wärme-Kopplung im industriellen und gewerblichen Bereich, hocheffiziente Gas-Kraftwerke) und erst recht bei der Nutzung von Energie sind von enormer Bedeutung; ebenso eine Erneuerung und Verbesserung der bestehenden Infrastruktur.

Auf dem Land sind bereits heute die vor Ort befindlichen erneuerbaren Energien die einzig sinnvolle Versorgungsmöglichkeit, da schlechte Verkehrsinfrastruktur die ohnehin schon knappen fossilen Energieträger noch mehr verteuern. Es gilt daher, mit angepassten dezentralen Technologien wie Kleinwasserkraft, Photovoltaik, Windenergie sowie effizienter Biogas- und Biomassenutzung möglichst rasch die Grundbedürfnisse nach Energie für die Landbevölkerung auf der Basis erneuerbarer Energien sicherzustellen. Damit könnte möglicherweise auch der Urbanisierungstrend verlangsamt werden. Die Hemmnisse, die bei der Realisierung von dezentralen erneuerbaren Energietechnologien in Entwicklungsländern auftreten, sind zumeist anderer Art als in Industrieländern. Von besonderer Bedeutung ist die Diskrepanz zwischen hohen Investitionskosten erneuerbarer Energien und mangelnden Finanzierungsmöglichkeiten. Daher werden bereits unterschiedliche Finanzierungsmechanismen ausprobiert. Kleine Solarsysteme könnten von großen Firmen vorfinanziert und dann durch Eingabe eines Passwortes, das man gegen eine monatliche Bezahlung erhält, freigeschaltet werden. Aber auch ganz pragmatische Probleme gilt es zu lösen: Ersatzteilmangel, fehlende Verkehrsinfrastruktur (Turbinengehäuse von Wasserkraftwerken müssen auf den Rücken menschlicher Träger transportiert werden), eine gelungene soziale Integration von Technologien in den Alltag der Bevölkerung und vieles andere mehr.

Doch damit ist es bei weitem nicht getan. Teil einer Entwicklungsstrategie im Energiebereich müssen ebenso dringlich größere, zentrale Anlagen auf der Basis von erneuerbaren Energien sein, also größere netzgekoppelte Windparks, Wasserkraftwerke in angemessener Größe und solarthermische Kraftwerke, welche die bestehenden und sich rasch ausdehnenden städtischen Regionen mit erneuerbaren Energien in ausreichendem Maß versorgen. Notwendig sind integrierte Systemlösungen, die genau auf die jeweiligen Bedürfnisse ausgerichtet sind und zumeist aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Anlagen bestehen werden. Auch die Produktionskenntnisse und -kapazitäten in den Ländern gilt es zu berücksichtigen.

In den Industrieländern findet zugleich bereits eine Neuorientierung der Energieversorgungsstrukturen in Richtung von mehr Dezentralität und Integration in Systemlösungen statt. Sie wird getrieben durch technologische Entwicklungen bei Energietechnologien (z. B. Gasturbinen, Brennstoffzellen, erneuerbare Energien) und bei Informations- und Kommunikationstechnologien (Management vieler dezentraler Anlagen), aber auch durch die fortschreitende Liberalisierung der Energiemärkte, die eine geringere Kapitalbindung, kürzere Planungs- und Bauzeiten sowie eine höhere Flexibilität und Reaktionsfähigkeit auf veränderte Rahmenbedingungen verlangt. Für die Entwicklungsländer wäre es wenig zukunftsweisend, die bereits überholten, stark zentral orientierten Energieversorgungssysteme der Industrieländer nachzuahmen. Sie sollten von vornherein eine möglichst optimale Kombination von dezentralen und zentralen Energieversorgungstechnologien aufbauen. Unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten, d. h. auch unter der Prämisse, auf lange Sicht einen möglichst hohen Anteil von erneuerbaren Energien mobilisieren zu können, lautet die Alternative nicht zentral oder dezentral, sondern sie liegt in der effizientesten und zweckmäßigsten Vernetzung von Anlagen unterschiedlicher Größe und Leistung. Die Entwicklungsländer könnten auf diese Weise mit Hilfe der Industrieländer den Weg dorthin abkürzen und Defizite im Energiebereich rasch aufholen.

Die solaren Energieressourcen in südlichen Ländern sind sehr groß. Theoretisch ließe sich allein auf einem Teil Marokkos eine Strommenge erzeugen, die dem heutigen Weltstromverbrauch entspricht. Die Nutzung regenerativer Quellen allein für den nationalen Verbrauch ist also nicht die einzige Perspektive für die heutigen Entwicklungsländer.

Eine faszinierende Möglichkeit ist auch die gleichzeitige Bereitstellung von Strom und Trinkwasser. Dazu können solarthermische Kraftwerke in Kraft-Wärme-Kopplung eingesetzt werden. Die ausgekoppelte Wärme dient zur thermischen Meerwasserentsalzung. Solche Kraftwerke können im großen Maßstab Elektrizität und Wasser liefern, zwei wertvolle und zunehmend knappe Güter in den Sonnenländern der Erde. Die Herstellung von Trinkwasser wäre dabei sogar vorrangiges Ziel: Strom fällt quasi als Nebenprodukt an und kann sowohl im Land genutzt oder mittels Hochspannungs-GleichstromÜbertragung (HGÜ) nach Mitteleuropa exportiert werden. Die Übertragungskosten liegen im Bereich weniger Cents pro Kilowattstunde, so dass bei uns langfristig Kosten für importierten Solarstrom von unter 6 Cent/kWh erreichbar sind. Für diesen Zweck werden leistungsfähige Leitungen benötigt, wie sie bisher weltweit mit etwa 45 GW Leistung und Übertragungslängen von bis zu 2.000 km realisiert sind.

Der Ausbau der HGÜ für den regenerativen Stromimport könnte Bestandteil zukünftiger Investitionsplanungen im europäischen Stromverbund sein und als europäische Infrastrukturmaßnahme für eine nachhaltige Entwicklung eingestuft werden. Die Mittelmeerländer sind schon heute von zurückgehenden Niederschlägen als Folge des Klimawandels betroffen. Eine beschleunigte Umstellung Europas auf CO2-freien Strom ist deshalb genauso im Interesse dieser Länder wie die emissionsfreie Erzeugung großer Mengen Trinkwasser. Auf diese Weise könnten solarthermische Kraftwerke Teil einer internationalen Kooperation zum globalen Klimaschutz und zur nachhaltigen Entwicklung beider Regionen werden. Eine derartige Strategie würde auch dazu beitragen, das Risiko nationaler und internationaler Konflikte um die knappen und zunehmend teuren Güter Wasser und Energie zu reduzieren.


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Quellen


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