Definition

Ökobilanzen geben Auskunft über potentielle Umweltauswirkungen die bei der Herstellung, Nutzung und Beseitigung eines Produkts entstehen. Damit wird der gesamte Lebensweg von der Wiege bis zur Bahre (engl. cradle to grave) mit in die Betrachtung einbezogen.

Die Ökobilanz teilt sich in 4 Phasen:

  1. Festlegung des Zieles und Untersuchungsrahmens
  2. Sachbilanz
  3. Wirkungsabschätzung
  4. Auswertung

Der zweite Schritt führt zur Erfassung des Ressourcenverbrauchs. Dieser wird zusammengefasst in dem Indikator

Der dritte Schritt versucht den Ressourcenverbrauch in seiner Wirkung auf die Umwelt zu bewerten. Indikatoren dafür sind beispielsweise

Zusätzlich gibt es Indikatoren wie „Ecotox“ und „Humantox“ die die toxikologischen Risiken für die Umwelt bzw. die menschliche Gesundheit unter globalen Gesichtspunkten beschreiben. Dies ist nicht zu Verwechseln mit gesundheitlichen Risiken für Handwerker oder Nutzer eines Gebäudes.

Eine Ökobilanz muss exakt Auskunft geben, welche funktionelle Einheit berechnet und bewertet wurde. Dies kann ein kg eines Materials sein, 1 m² mit einer spezifischen Dicke eines Bauprodukts oder ein m² einer vollständigen Konstruktion. Am sinnvollsten ist ein Vergleich von einem Quadratmeter einer bestimmten Konstruktion z.B. ein gedämmtes Schrägdach oder eine Außenwand, die einen bestimmten U-Wert erreichen sollen. Dies wird auch als „funktionales Äquivalent“ bezeichnet. Dabei sollen die Berechnungen die Lebenszyklusphasen Errichtung, Instandsetzung und Beseitigung umfassen.

Diese Veröffentlichung konzentriert sich auf den Vergleich von Wärmedämmstoffen. Die folgende Tabelle vergleicht deshalb die Mengen der Dämmstoffe, die notwendig sind, um einen U-Wert von 0,2 W/m²K zu erreichen. Da Dämmstoffe für unterschiedlichste Anwendungsbereiche geeignet sind, wurde hier jeweils exemplarisch eine Einsatzmöglichkeit angenommen. Aus diesem Grunde eignen sich die Daten nicht für einen Quervergleich.

Mit größtmöglicher Sorgfalt wurde versucht, den Herstellungsprozess von 25 verschiedenen Wärmedämmstoffen möglichst umfassend zu bilanzieren. Die Ökobilanzmodule sind der Datenbank des Bundesministeriums für Verkehr, Bauen und Stadtentwicklung (BMVBS) entnommen. Die in der nachfogenden Tabelle verwendeten Werte berücksichtigen nur die Herstellungsphase (cradle to gate), und weder unterschiedliche Nutzungsdauern einer Produktanwendung noch die Beseitigung des Materials. Dennoch handelt es sich bei der folgenden Aufstellung vermutlich um die aktuellste und umfangreichste Zusammenstellung an Ökobilanzdaten für Wärmedämmstoffe, die derzeit öffentlich zugänglich ist. Der Anspruch auf Vollständigkeit ist mit der nachfolgenden Datensammlung nicht verbunden.

Alle 4 Arbeiten haben sich mit dem Primärenergieaufwand bei der Herstellung beschäftigt. Die Ergebnisse der einzelnen Arbeiten hierzu weichen teilweise voneinander ab, sind aber in der Regel plausibel. Im Ausnahmefall ergeben sich vereinzelt auch größere Abweichungen vom Trend, die dann nicht mehr plausibel erscheinen und deshalb nicht mehr in den Durchschnittswert des Gesamtergebnisses der Tabelle einfließen. Die Daten in der Tabelle sind Durchschnittwerte der vorliegenden Basisdaten, gerechnet auf Grundlage von U-Werten 0,3 W/m²K, bzw. 0,22 W/m²K beim Primärenergieaufwand.

Tabelle Ökobilanz von Wärmedämmstoffen (Teil 1)
Autor: Holger König           Stand: 06-2010

Datenbank: Ökobaudat
Systemgrenze: frei Werktor aufgeladen, ohne Instandsetzung, Rückbau + Entsorgung
funktionelle Einheit: 1 m² Dämmung
funktionelles Äquivalent: U-Wert 0,2 W/m²K

Nr. Dämmstoff Einsatzmöglichkeit Rohdichte
ρ
[kg/m³]
WLG
Lambda
[W/mK]
Dicke
d
[m]
U-Wert

[m²/kW]
Klimagas
[kg CO2- Äquivalent]
1 Blähton Schüttung 400 0,16 0,80 0,2 100
2 Bimssand Schüttung 1000 0,19 0,95 0,2 8,2
3 Perlite Schüttung 100 0,06 0,30 0,2 15,18
4 Porenbetongranulat Schüttung 400 0,15 0,75 0,2 0,62
5 Schaumglasschotter Schüttung 130 0,08 0,40 0,2 11,25
6 Kalziumsilikatplatten Vorwanddämmung innen 220 0,06 0,28 0,2
7 Mineralschaum Innendämmung 123 0,05 0,23 0,2 25
8 Schaumglas Perimeterdämmung 100 0,04 0,20 0,2 21,9
9 Glaswolle Zwischenwanddämmung 20 0,04 0,18 0,2 6,2
10 Steinwolle Zwischenwanddämmung 30 0,04 0,18 0,2 8
11 Schilfrohrplatten WDVS-System 250 0,06 0,28 0,2
12 Flachs Zwischensparrendämmung 15 0,04 0,20 0,2 3
13 Hanf Zwischensparrendämmung 23 0,05 0,23 0,2 5,4
14 Holzfaserpl. (nass) Aufdachdämmung 160 0,04 0,20 0,2 -1408
15 Holzfaserpl. (trocken) Zwischenwanddämmung 50 0,04 0,20 0,2 -3,9
16 Holzspäne Zwischenwanddämmung 80 0,05 0,23 0,2
17 Holzwolle LBP WDVS-System 360 0,09 0,45 0,2 -30
18 Korkplatte Aufdachdämmung 80 0,05 0,23 0,2 -1407
19 Schafwolle Zwischensparrendämmung 20 0,04 0,20 0,2
20 Zelluloseflocken Zwischensparrendämmung 50 0,04 0,20 0,2 -6,5
21 Zelluloseplatten Zwischenwanddämmung 85 0,04 0,20 0,2 6,2
22 Polyesterfaser 19 0,04 0,20 0,2
23 Polystyrol EPS 15 WDVS-System 15 0,04 0,18 0,2 8
24 Polystyrol XPS Bodenplattendämmung 32 0,04 0,18 0,2 16
25 Polyurethanplatten Aufdachdämmung 30 0,03 0,14 0,2 21
Tabelle Ökobilanz von Wärmedämmstoffen (Teil 2)
Autor: Holger König           Stand: 06-2010

Datenbank: Ökobaudat
Systemgrenze: frei Werktor aufgeladen, ohne Instandsetzung, Rückbau + Entsorgung
funktionelle Einheit: 1 m² Dämmung
funktionelles Äquivalent: U-Wert 0,2 W/m²K

Nr. Versauerung
[kg SO2- Äquivalent]
Ozonabbau
[kg CFC11 Äquivalent]
Sommersmog
[kg Ethen Äquivalent]
Überdüngung
[kg Phosphor Äquivalent]
Primärenergie
erneuerbar
[MJ]
-Aufwand (PE)
nicht erneuerbar
[MJ]
1 0,68 0 0,06 0,03 129 1535
2 0,02 0,00000950 0 0 1,2 117
3 0,02 0,00000300 0 0 0,87 212
4 0 0 0 0 0,49 9,7
5 0,05 0,00000100 0 0,01 98 278
6
7 0,05 0 0,01 0,01 43 313
8 0,04 0,00000014 0 0,01 182 304
9 0,13 0,00000030 0 0 4,5 100
10 0,04 0,00000036 0 0,01 3,6 113
11
12 0,02 0,00000600 0 0,01 44 124
13 0,03 0,00000090 0,01 0,01 77 946
14 1,28 0,00006400 0,01 0 655 425
15 0,04 0,00000030 0 0 240 224
16
17 0,15 0 0,01 0,02 1788 956
18 7,14 0 0,62 1,38 27810 19110
19
20 0,01 0,00000020 0 0 8 41
21 0,13 0,00000300 0,01 0,03 467 262
22
23 0,02 0 0 0 1,1 240
24 0,04 0 0,02 0 4,3 506
25 0,07 0 0,01 0,01 6,7 427

Ein aktuelles und für professionelle Planer gut geeignetes Instrument zur Ökobilanzierung von Baukostruktionen und Gebäuden ist die Software LEGEP, die über ein Modul Ökobilanz und eine sehr umfangreiche Material-/ Konstruktionsdatenbank verfügt.

Zusammenfassende Bewertung natürlicher Dämmstoffe

Umfassende Ökobilanzen berücksichtigen die umwelt- und gesundheitsrelevanten Aspekte von Bauprodukten in allen 6 Lebensphasen von der „Wiege bis zur Bahre“ (Rohstoffe, Transport, Produktion, Verarbeitung, Nutzung und Entsorgung). Bei dieser umfassenden Betrachtungsweise ergibt sich für Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen – abgesehen von wenigen Ausnahmefällen – ein insgesamt erfreulich positives Gesamtbild.

Die Rohstoffe sind natürlichen Ursprungs und werden auch bei nachhaltiger Land- und Forstwirtschaft in einem überschaubaren Zeitraum wieder von der Natur bereitgestellt.

Möglichst kurze Transportwege sind ein wichtiges Kriterium zur Unterstützung regionaler Wirtschaftskreisläufe. Die meisten Rohstoffe zur Herstellung von Naturfaserdämmstoffen werden in Mitteleuropa geerntet und verarbeitet. Sowohl Bauherr, als auch Architekt und Handwerker sollten zur Unterstützung regionaler Wirtschaftskreisläufe möglichst auf regionale Produkte achten und Rohstoffe, die weite Transportwege erfordern möglichst vermeiden.

Die Produktion vieler Erzeugnisse (z. B. Flachs, Hanf, Schafwolle und Zelluloseflocken) erfolgt in der Regel in einfachen Prozessketten mit geringem Energieaufwand. Bei der Herstellung verschiedener Kork-/Holzfaseprodukte ist der Energieaufwand allerdings deutlich höher (s. Tabelle oben). Eventuelle Umweltbelastungen im Laufe des Lebenszyklus der Dämmstoffe hängen von den Zusatzstoffen und Bindemitteln in den Produkten ab.

Gesundheitliche Auswirkungen für Bewohner sind bei sachgerechtem Einbau (Beachtung der Regeln der Technik und der Richtlinien des Herstellers) nach umfangreichen Recherchen des Verfassers - zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu erwarten.

Die gesundheitlichen und ökologischen Risiken bei der Verarbeitung natürlicher Dämmstoffe sind unter Beachtung entsprechender Arbeitsschutzbedingungen gering. Die Staubentwicklung kann allerdings – z. B. beim Schneiden von Holzfaserdämmstoffen oder Einblasen von Zellulose – erheblich sein. Professionelle Schneidemaschinen mit Absaugvorrichtungen und gute Feinstaub-Schutzmasken beim Einblasen sollten deshalb zur obligatorischen Ausrüstung des ausführenden Handwerkbetriebs gehören.

Rückbau und Entsorgung bzw. Wiederaufbereitung lose eingebauter Dämmstoffe ist im Regelfall ohne größere Probleme möglich (z. B. Zellulose, Hanf, Holzfaser, etc.). Auch eine thermische Verwertung wegen des günstigen Heizwertes der natürlichen Dämmstoffe ist möglich und sinnvoll. Die Trennung und Wiederaufbereitung sämtlicher großflächig verklebter und gedübelter Wärmedämmverbundsysteme erfordert allerdings einen sehr hohen Aufwand und findet in der Praxis deshalb kaum statt. Das größte langfristige Umweltrisiko ist nach derzeitigem Wissensstand des Verfassers durch deponierte Polystyroldämmstoffe wegen deren persistenter und bioakkumulativer Wirkung des Flammschutzmittels HBCD zu erwarten. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber hier künftig erhöhte Anforderungen vorschreibt.

Verbraucherschutz

Der Hausbesitzer erwartet bei seiner Entscheidung für Naturfaserprodukte in der Regel auch ein ökologisch hochwertiges Naturprodukt. Größtmöglicher Verbraucherschutz wird durch Volldeklarationen der Hersteller erreicht. Derzeit mangelt die Transparenz nicht nur bei konventionellen, sondern leider auch bei einigen „ökologischen Bauprodukten“. Verschiedene Gütesiegel (s. auch privatrechtliche Güte- und Qualitätssiegel) bringen einen erhöhten Gesundheits- und Verbraucherschutz. Derzeit bieten z. B. das R-Siegel der ARGE-KdR e.V. oder das Label natureplus höhere Sicherheit für den Konsumenten bei Gebrauchstauglichkeit, Umweltverträglichkeit und Gesundheitsvorsorge. Allerdings hat der Konsument bei natureplus keinen Zugriff auf die Volldeklaration. Ein Schwachpunkt aus Verbrauchersicht, insbesondere vor dem Hintergrund, der Zertifizierung von Holzfaserdämmplatten mit isocyanathaltigen Bindemitteln, s. Trockenverfahren.


Quelle

Herbert Danner, Baubiologe (IBN), Bauzentrum München, Ökologische Wärmedämmstoffe im Vergleich 2.0, Juni 2010, S. 31-33, 35-36


Siehe auch