Lehmputz: Unterschied zwischen den Versionen

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Bedingung für den o.g. Effekt der Luftfeuchtepufferung durch die oberflächennahen Baustoffe ist, dass die Luftfeuchte über [[Diffusion]]svorgänge in diese Schichten überhaupt vordringen bzw. aus ihnen entweichen kann. Ein mit Lack behandelter Holzfußboden ist beispielsweise derart [[diffusionsbremse]]nd abgeschirmt, dass seine [[Sorption]]sfähigkeit für die Tagesschwankungen der Luftfeuchte quasi nicht mehr zur Verfügung steht. Auch an Wänden kann dieser Effekt auftreten. Die bei Lehmoberflächen oft angewendeten Kasein- und Silikatfarben reduzierten nach Untersuchungen der Autoren die Geschwindigkeit der Aufnahme auch bei vielfachen Auftrag nur um bis zu fünf Prozent; Lehmstreichputze oder Lehmfarben führen zu keiner Verringerung des Sorptionsverhaltens. Dagegen setzen vor allem die bei zahlreichen gängigen Innenwandfarben enthaltenen Polymerdispersionsanteile die ohnehin schon geringere Sorptionsgeschwindigkeit der üblicherweise eingesetzten kalk-, gips- und zementgebundenen Putze vor allem bei der Feuchteabgabe merklich herab (Abb. 2). Dieser Effekt verstärkt sich beim wiederholten Auftrag von Anstrichen.  
Bedingung für den o.g. Effekt der Luftfeuchtepufferung durch die oberflächennahen Baustoffe ist, dass die Luftfeuchte über [[Diffusion]]svorgänge in diese Schichten überhaupt vordringen bzw. aus ihnen entweichen kann. Ein mit Lack behandelter Holzfußboden ist beispielsweise derart [[diffusionsbremse]]nd abgeschirmt, dass seine [[Sorption]]sfähigkeit für die Tagesschwankungen der Luftfeuchte quasi nicht mehr zur Verfügung steht. Auch an Wänden kann dieser Effekt auftreten. Die bei Lehmoberflächen oft angewendeten Kasein- und Silikatfarben reduzierten nach Untersuchungen der Autoren die Geschwindigkeit der Aufnahme auch bei vielfachen Auftrag nur um bis zu fünf Prozent; Lehmstreichputze oder Lehmfarben führen zu keiner Verringerung des Sorptionsverhaltens. Dagegen setzen vor allem die bei zahlreichen gängigen Innenwandfarben enthaltenen Polymerdispersionsanteile die ohnehin schon geringere Sorptionsgeschwindigkeit der üblicherweise eingesetzten kalk-, gips- und zementgebundenen Putze vor allem bei der Feuchteabgabe merklich herab (Abb. 2). Dieser Effekt verstärkt sich beim wiederholten Auftrag von Anstrichen.  
 
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| colspan="2"| '''Abb. 2''' <br /> Grafische Darstellung der Luftfeuchtesorption von Lehmputzen und Nicht-Lehmputzen
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|valign="top"|[[Bild:lehmputz_raumklima abb2.01.png|right|thumb|500px|Lehmputze]]
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|valign="top"|[[Bild:lehmputz_raumklima abb2.02.png|right|thumb|500px|Nicht-Lehmputze]]
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|valign="top"|Wasserdampfmoleküle in der Raumluft [[Bild:lehmputz_raumklima abb2.1.png|right|50px]]
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|Grafik Claytec, Christiane Liebert
|Grafik Claytec, Christiane Liebert
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Im Baustoff selbst erfolgt die Anlagerung der Raumluftfeuchte über die sogenannte [[Kapillar]]kondensation, d.h. Luftfeuchte kondensiert bzw. verdunstet an den Wandungen von Poren einer bestimmten Geometrie in Abhängigkeit vom Luftfeuchtegehalt, vorausgesetzt, dass die Porenräume untereinander verbunden sind und somit die Luftfeuchte innerhalb des Baustoffs transportiert werden kann. Die luftfeuchtebedingte Änderung der Materialfeuchte führt nicht dazu, dass die Bauteile feucht erscheinen oder sich feucht anfühlen – im Gegenteil, bei stark sorbierenden Materialien werden auch bei niedrigen Oberflächentemperaturen Kondensationsvorgänge vermieden. Dem Effekt der Kapillarkondensation sind aus technologischen und stofflichen Gründen gewisse Grenzen gesetzt, die in der anfänglich starken [[Sorption]] der zur Innendämmung verwandten Kalziumsilikatbaustoffe offensichtlich ausgereizt sind (Abb. 4). Lehmbaustoffe unterscheiden sich in Bezug ihrer Porenstruktur nicht signifikant von anderen mineralischen Putzen. Ihr zum Teil erheblich besseres Sorptionsverhalten ist auf einen zusätzlichen und mineralogisch bedingten Sorptionsanteil zurückzuführen. Hierbei wird die Luftfeuchte in der enorm feinen und zerklüfteten Kristallstruktur sogenannter quellfähiger Dreischichttonminerale zwischengespeichert (Abb. 2). Der Gehalt dieser besonders sorptionswirksamen Tonminerale ist von Lehm zu Lehm und somit von Lehmbaustoff zu Lehmbaustoff sehr unterschiedlich. Andere Tonminerale, wie z.B. das Zweischichtmineral Illit sind weit weniger wirksam. In der Untersuchung von [Holl / Ziegert - 2002]<ref name="Holl / Ziegert – 2002" /> konnte der Zusammenhang vom Gehalt quellfähiger Dreischichttonminerale zur Sorptionsaktivität erstmals an unterschiedlichen am Markt verfügbaren Lehmputzen nachgewiesen werden. Danach haben Lehmputze, die keine oder nur geringe Anteile an diesen sorptionsaktiven Dreischichttonminerale aufweisen, „lediglich“ um etwa 40% höhere Sorptionswerte als kalk- oder zementgebundene Putze und bleiben damit wesentlich unter der Möglichkeit nahezu 3-fache Sorptionswerte erreichen zu können (auch Abb. 4). In dieser Untersuchung hatte ausgerechnet der Lehmputz mit dem höchsten Tongehalt die schlechtesten Sorptionswerte unter den Lehmputzen; die Tonmineralfraktion bestand hier eben zu 98% aus dem nur wenig aktiven Illit.  
Im Baustoff selbst erfolgt die Anlagerung der Raumluftfeuchte über die sogenannte [[Kapillar]]kondensation, d.h. Luftfeuchte kondensiert bzw. verdunstet an den Wandungen von Poren einer bestimmten Geometrie in Abhängigkeit vom Luftfeuchtegehalt, vorausgesetzt, dass die Porenräume untereinander verbunden sind und somit die Luftfeuchte innerhalb des Baustoffs transportiert werden kann. Die luftfeuchtebedingte Änderung der Materialfeuchte führt nicht dazu, dass die Bauteile feucht erscheinen oder sich feucht anfühlen – im Gegenteil, bei stark sorbierenden Materialien werden auch bei niedrigen Oberflächentemperaturen Kondensationsvorgänge vermieden. Dem Effekt der Kapillarkondensation sind aus technologischen und stofflichen Gründen gewisse Grenzen gesetzt, die in der anfänglich starken [[Sorption]] der zur Innendämmung verwandten Kalziumsilikatbaustoffe offensichtlich ausgereizt sind (Abb. 4). Lehmbaustoffe unterscheiden sich in Bezug ihrer Porenstruktur nicht signifikant von anderen mineralischen Putzen. Ihr zum Teil erheblich besseres Sorptionsverhalten ist auf einen zusätzlichen und mineralogisch bedingten Sorptionsanteil zurückzuführen. Hierbei wird die Luftfeuchte in der enorm feinen und zerklüfteten Kristallstruktur sogenannter quellfähiger Dreischichttonminerale zwischengespeichert (Abb. 2). Der Gehalt dieser besonders sorptionswirksamen Tonminerale ist von Lehm zu Lehm und somit von Lehmbaustoff zu Lehmbaustoff sehr unterschiedlich. Andere Tonminerale, wie z.B. das Zweischichtmineral Illit sind weit weniger wirksam. In der Untersuchung von [Holl / Ziegert - 2002]<ref name="Holl / Ziegert – 2002" /> konnte der Zusammenhang vom Gehalt quellfähiger Dreischichttonminerale zur Sorptionsaktivität erstmals an unterschiedlichen am Markt verfügbaren Lehmputzen nachgewiesen werden. Danach haben Lehmputze, die keine oder nur geringe Anteile an diesen sorptionsaktiven Dreischichttonminerale aufweisen, „lediglich“ um etwa 40% höhere Sorptionswerte als kalk- oder zementgebundene Putze und bleiben damit wesentlich unter der Möglichkeit nahezu 3-fache Sorptionswerte erreichen zu können (auch Abb. 4). In dieser Untersuchung hatte ausgerechnet der Lehmputz mit dem höchsten Tongehalt die schlechtesten Sorptionswerte unter den Lehmputzen; die Tonmineralfraktion bestand hier eben zu 98% aus dem nur wenig aktiven Illit.