Lehmputz: Unterschied zwischen den Versionen

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von Wulf Eckermann und Christof Ziegert
von Wulf Eckermann und Christof Ziegert
====Vorwort====
====Vorwort====
Dass mit Lehmbaustoffen umhüllte Räume eine behagliche Raumluftfeuchte aufweisen, wird von den Nutzern immer wieder bestätigt. Eine wissenschaftliche Annäherung an dieses Phänomen ist in baustofflicher Hinsicht in den letzten Jahren bis ins Detail geglückt [Holl / Ziegert – 2002]. Schwieriger gestaltet sich, den Verlauf der Raumluftfeuchte unter dem Einfluss der raumhüllenden Bauteileigenschaften rechnerisch zu simulieren, um so beispielweise [[Klimaanlage]]n exakter dimensionieren oder die Gefahr von [[Schimmelpilz]]bildungen genauer einschätzen zu können. Genau hier liegt aber neben der reinen Behaglichkeit ein wesentlicher Effekt des hohen  Feuchteausgleichvermögen von Lehmbaustoffen: die leidige Problematik, dass viele Bauwerke nur dann schadensfrei bleiben, wenn die Nutzer ein äußerst diszipliniertes [[Lüftung]]sverhalten an den Tag legen, kann durch hoch sorptionsaktive Wandmaterialien wesentlich entspannt werden. Der Baustoff Lehm erhöht damit die Fehlertoleranz unserer Bauwerke. Nachdem u.a. [Otto – 1995]<ref name="Otto – 1995" /> den Einfluss des [[Sorption]]sverhaltens von Oberflächenaufbauten erstmals anhand rechnerischer Simulationen als relevant erachtet hat, konnten jetzt mit der Untersuchung von [Eckermann et al – 2006]<ref name="Eckermann et al – 2006" /> erstmals Lehmbaustoffe in ein Feuchtebilanzmodell für einen Musterraum einbezogen werden.
Dass mit Lehmbaustoffen umhüllte Räume eine behagliche Raumluftfeuchte aufweisen, wird von den Nutzern immer wieder bestätigt. Eine wissenschaftliche Annäherung an dieses Phänomen ist in baustofflicher Hinsicht in den letzten Jahren bis ins Detail geglückt [Holl / Ziegert – 2002]<ref name="Holl / Ziegert – 2002" />. Schwieriger gestaltet sich, den Verlauf der Raumluftfeuchte unter dem Einfluss der raumhüllenden Bauteileigenschaften rechnerisch zu simulieren, um so beispielweise [[Klimaanlage]]n exakter dimensionieren oder die Gefahr von [[Schimmelpilz]]bildungen genauer einschätzen zu können. Genau hier liegt aber neben der reinen Behaglichkeit ein wesentlicher Effekt des hohen  Feuchteausgleichvermögen von Lehmbaustoffen: die leidige Problematik, dass viele Bauwerke nur dann schadensfrei bleiben, wenn die Nutzer ein äußerst diszipliniertes [[Lüftung]]sverhalten an den Tag legen, kann durch hoch sorptionsaktive Wandmaterialien wesentlich entspannt werden. Der Baustoff Lehm erhöht damit die Fehlertoleranz unserer Bauwerke. Nachdem u.a. [Otto – 1995]<ref name="Otto – 1995" /> den Einfluss des [[Sorption]]sverhaltens von Oberflächenaufbauten erstmals anhand rechnerischer Simulationen als relevant erachtet hat, konnten jetzt mit der Untersuchung von [Eckermann et al – 2006]<ref name="Eckermann et al – 2006" /> erstmals Lehmbaustoffe in ein Feuchtebilanzmodell für einen Musterraum einbezogen werden.


====Einleitung====
====Einleitung====
Eine alleinige Betrachtung der nachweispflichtigen Bauwerkseigenschaften Standsicherheit, [[Brandschutz|Brand-]], Wärme- und [[Schallschutz]] greift heute oft zu kurz, um bei Um- und Neubau von Gebäuden behagliche und der Gesundheit zuträgliche Wohn- und Arbeitsbereiche zu schaffen. So sind im Zuge der gestiegenen Anforderungen an den Wärmeschutz, die im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung des Bauens unbedingt zu begrüßen sind, die [[Konvektion|konvektiven]] Wärmeverluste durch Anstreben einer weitgehend [[Luftdichtheit|luftdichten]] Gebäudehülle zu minimieren. Oftmals sind die dabei erzielten [[Luftwechselrate]]n jedoch derart gering, dass die [[Innenraumluft - Richtwerte|Schadstoffbelastung in Innenräumen]] durch die geringeren Verdünnungseffekte insgesamt zugenommen hat [BMVBW – 2001]<ref name="BMVBW – 2001" />. Ebenfalls zugenommen hat im Neubau und besonders im sanierten Altbau das Auftreten von [[Schimmelpilz]] [BMBS – 1995]<ref name="BMBS – 1995" />. <br />
Eine alleinige Betrachtung der nachweispflichtigen Bauwerkseigenschaften Standsicherheit, [[Brandschutz|Brand-]], Wärme- und [[Schallschutz]] greift heute oft zu kurz, um bei Um- und Neubau von Gebäuden behagliche und der Gesundheit zuträgliche Wohn- und Arbeitsbereiche zu schaffen. So sind im Zuge der gestiegenen Anforderungen an den Wärmeschutz, die im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung des Bauens unbedingt zu begrüßen sind, die [[Konvektion|konvektiven]] Wärmeverluste durch Anstreben einer weitgehend [[Luftdichtheit|luftdichten]] Gebäudehülle zu minimieren. Oftmals sind die dabei erzielten [[Luftwechselrate]]n jedoch derart gering, dass die [[Innenraumluft - Richtwerte|Schadstoffbelastung in Innenräumen]] durch die geringeren Verdünnungseffekte insgesamt zugenommen hat [BMVBW – 2001]<ref name="BMVBW – 2001" />. Ebenfalls zugenommen hat im Neubau und besonders im sanierten Altbau das Auftreten von [[Schimmelpilz]] [BMBS – 1995]<ref name="BMBS – 1995" />. <br />
[[Bild:lehmputz_raumklima abb1.png|right|thumb|350px|'''Abb. 1''' <br /> Behaglichkeitsgrafik [Leudsen / Freymark – 1951]<ref name="Leudsen / Freymark – 1951" />]]
[[Bild:lehmputz_raumklima abb1.png|right|thumb|350px|'''Abb. 1''' <br /> Behaglichkeitsgrafik [Leudsen / Freymark – 1951]<ref name="Leudsen / Freymark – 1951" />]]
Mit der Verringerung des Luftwechsels steigt die Bedeutung der raumhüllenden Bauteile für die Qualität der Raumluft. Neben der anzustrebenden und durch Lehmbaustoffe problemlos umsetzbare Schadstofffreiheit der Raumhülle ist die [[Raumluftfeuchte]] und deren Regulierung durch die raumhüllenden Bauteilflächen von besonderer Bedeutung. Aus medizinischer Sicht gelten relative Luftfeuchten um 50 % als optimal und bis ca. 35 % als behaglich (Abb. 1), [Leudsen / Freymark – 1951]}<ref name="Leudsen / Freymark – 1951" />. Bei medizinischen Gutachten zu Atemwegserkrankungen werden in den meisten Fällen Raumluftfeuchten von nicht weniger als 40 % empfohlen; häufig mehr. Für Musikinstrumente und Kunstgüter soll die [[RLF]] in engen Grenzen um 50 % gehalten werden [Burmester / Eckermann – 1999]<ref name="Burmester / Eckermann – 1999" />.
Mit der Verringerung des Luftwechsels steigt die Bedeutung der raumhüllenden Bauteile für die Qualität der Raumluft. Neben der anzustrebenden und durch Lehmbaustoffe problemlos umsetzbare Schadstofffreiheit der Raumhülle ist die [[Raumluftfeuchte]] und deren Regulierung durch die raumhüllenden Bauteilflächen von besonderer Bedeutung. Aus medizinischer Sicht gelten relative Luftfeuchten um 50 % als optimal und bis ca. 35 % als behaglich (Abb. 1), [Leudsen / Freymark – 1951]<ref name="Leudsen / Freymark – 1951" />. Bei medizinischen Gutachten zu Atemwegserkrankungen werden in den meisten Fällen Raumluftfeuchten von nicht weniger als 40 % empfohlen; häufig mehr. Für Musikinstrumente und Kunstgüter soll die [[RLF]] in engen Grenzen um 50 % gehalten werden [Burmester / Eckermann – 1999]<ref name="Burmester / Eckermann – 1999" />.


[[Luftfeuchtigkeit|Luftfeuchten]] bis zu 70 % gelten für den Menschen als behaglich. Höhere Luftfeuchten sind zwar nicht direkt gesundheitsschädlich, die Raumluft wird jedoch schnell als stickig empfunden. Problematisch ist die Begünstigung von Schimmelpilzwachstum. Allgemein wird derzeit davon ausgegangen, dass mit Schimmelpilzbildungen zu rechnen ist, wenn eine relative Luftfeuchte von 80 % in der Nähe von Bauteiloberflächen an 5 hintereinander folgenden Tagen für jeweils 12 Stunden erreicht wird [Richter et al – 1999]<ref name="Richter et al – 1999" />, [Sedlbauer / Krus – 2003]<ref name="Sedlbauer / Krus – 2003" />. Je nach Wärmedurchgang der Bauteile liegt diese Bedingung häufig schon bei Raumluftfeuchten von 60 % vor. Bei starken Wärmebrücken müssen zur Schadensfreiheit sogar derartig niedrige Luftfeuchten eingehalten werden, dass sie für den Bewohner schon wieder unterhalb des Behaglichkeitsbereiches liegen. Eine paradoxe Situation, der nur mit einer baulichen Verbesserung begegnet werden kann, jedoch häufig auf die Nutzer abgeladen wird.
[[Luftfeuchtigkeit|Luftfeuchten]] bis zu 70 % gelten für den Menschen als behaglich. Höhere Luftfeuchten sind zwar nicht direkt gesundheitsschädlich, die Raumluft wird jedoch schnell als stickig empfunden. Problematisch ist die Begünstigung von Schimmelpilzwachstum. Allgemein wird derzeit davon ausgegangen, dass mit Schimmelpilzbildungen zu rechnen ist, wenn eine relative Luftfeuchte von 80 % in der Nähe von Bauteiloberflächen an 5 hintereinander folgenden Tagen für jeweils 12 Stunden erreicht wird [Richter et al – 1999]<ref name="Richter et al – 1999" />, [Sedlbauer / Krus – 2003]<ref name="Sedlbauer / Krus – 2003" />. Je nach Wärmedurchgang der Bauteile liegt diese Bedingung häufig schon bei Raumluftfeuchten von 60 % vor. Bei starken Wärmebrücken müssen zur Schadensfreiheit sogar derartig niedrige Luftfeuchten eingehalten werden, dass sie für den Bewohner schon wieder unterhalb des Behaglichkeitsbereiches liegen. Eine paradoxe Situation, der nur mit einer baulichen Verbesserung begegnet werden kann, jedoch häufig auf die Nutzer abgeladen wird.

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