52.298
Bearbeitungen
K |
K (→Siehe auch) |
||
| (43 dazwischenliegende Versionen desselben Benutzers werden nicht angezeigt) | |||
| Zeile 1: | Zeile 1: | ||
Das Periodenbilanzverfahren ('''Glaserverfahren''', benannt nach Helmut Glaser, entwickelt in den 50ern, normativ eingeführt in den 70ern) ist ein | Das Periodenbilanzverfahren ('''Glaserverfahren''', benannt nach Helmut Glaser, entwickelt in den 50ern, normativ eingeführt in den 70ern) ist ein modellhaftes Nachweis- und Bewertungsverfahren für die feuchteschutztechnische Abschätzung bzw. Ermittlung von [[Tauwasser]]- und Verdunstungswassermassen ebener Bauteilquerschnitte. Dies erfolgt durch Betrachtung des auftretenden [[Diffusion]]transports bei stationären Zuständen unter pauschalen Randbedingungen. Im Ergebnis liefert es tabellarische und grafische Ergebnisreihen. | ||
Die [[DIN 4108]]-3 sieht je nach Anwendungsfall eine dreistufige Beurteilungsmethodik zum Nachweis der feuchtetechnischen Unbedenklichkeit von Baukonstruktionen vor. <br /> | |||
* Stufe 1: Auswahl einer nachweisfreien Konstruktion; | |||
* Stufe 2: einfacher Nachweis mittels Periodenbilanzverfahren oder dem Monatsbilanzverfahren nach [[DIN EN ISO 13788]] | |||
* Stufe 3: Nachweis durch hygrothermische Simulation. <br /> | |||
Stufe 1 und 2 gelten ausschließlich für Bauteile von Wohn- oder wohnähnlich genutzten Gebäuden, die weder befeuchtet noch unter 20 °C gekühlt werden. | |||
Die [[DIN EN ISO 13788]] bezieht sich ebenfalls auf das Glaser-Verfahren, jedoch wird hier das Monatsbilanzverfahren, verwendet. | Die [[DIN EN ISO 13788]] bezieht sich ebenfalls auf das Glaser-Verfahren, jedoch wird hier das Monatsbilanzverfahren, verwendet. | ||
Die | <br /> | ||
== Nachweisfreie Konstruktionen == | |||
Für eine Reihe von Bauteilen ist nach [[DIN 4108-3]] kein rechnerischer Tauwassernachweis erforderlich bzw. ist das Periodenbilanzverfahren für die Beurteilung ungeeignet. <br /> | |||
Nachfolgend ein grober Auszug diverser, verbreiteter Beispiele '''ohne''' konsequent detaillierter Auflistung einschränkender Details und sonstiger Voraussetzungen: | |||
* Wände aus Mauerwerk oder Beton mit Innenputz und ggf. Außendämmung mit regelkonformen Außenputz oder Außenwandbekleidungen | |||
* Wände mit Innendämmung ohne Schlagregenbeanspruchung: Innendämmung mit Wärmedurchlasswiderstand R ≤ 0,5 m²⋅K/W. - Bei 0,5 < R ≤ 1,0 m²⋅K/W: [[sd-Wert|s<sub>d</sub>-Wert]] innen ≥ 0,5 m | |||
* Wände in Holzbauart mit vorgehängten Außenwandbekleidungen: [[sd-Wert|s<sub>d</sub>-Wert]] innen ≥ 2 m; außen ≤ 0,3 m | |||
* bestimmte Holzfachwerkwände mit raumseitiger Luftdichtheitsschicht | |||
* bestimmte erdberührte Kelleraußenwände und Bodenplatten | |||
* diverse Dächer - mit regelkonformen Eindeckungen bzw. Dachabdichtungen. Davon explizit und pauschal ausgenommen: begrünte, bekieste Bauteile und solche mit Plattenbelägen und Holzrosten (Terrassen) | |||
* oberste Geschossdecken gegenüber kaltem Dachraum | |||
Die [[DIN 4108-3]] führt für jede der genannten Konstruktionen differenziert auf unter welchen einschränkenden Bedingungen die Nachweisfreiheit jeweils gegeben ist. | |||
<br /> | |||
== Randbedingungen der vereinfachten Abschätzung der Dampfdiffusion == | |||
Die Abschätzungen mittels Periodenbilanzverfahren berechnen die anfallenden Kondensatmengen bei eindimensionalem Feuchtetransport in Konstruktionen unter Annahme eines Blockwinterklimas (Dezember bis Februar) und eines Blocksommerklimas (Juni bis August) mit den <br /> | |||
{| | |||
| width="210" | [[Wärmeübergangswiderstand|Wärmeübergangswiderständen]]: | |||
| R<sub>si</sub> || = 0,25 m²⋅K/W | |||
|- | |||
| || R<sub>se</sub> || = 0,42 m²⋅K/W | |||
|} | |||
Die Einflüsse von Sonnenstrahlung und langwelliger Strahlung werden nicht berücksichtigt, Dächer ausgenommen. | |||
{|align="right" width="480px" style="border-style:solid; border-width:1px; margin: 0px 0px 0px 20px; padding:5px 0px 5px 5px;" class="rahmenfarbe1" | |||
| colspan="4" | '''Ehemalige Randbedingungen beim 'Glaser-Verfahren' ''' | |||
|- | |||
|width="60px"| || '''Winter''' (Dauer 60 Tage) || width="20px"| || '''Sommer''' (Dauer 90 Tage) | |||
|- | |||
| Innen: || +20 °C / 50 % rel. Luftfeuchte || ||+12 °C / 70 % rel. Luftfeuchte | |||
|- | |||
| Außen: || -10 °C / 80 % rel. Luftfeuchte || || +12 °C / 70 % rel. Luftfeuchte | |||
|} | |||
{|class="wikitable" | {|class="wikitable" | ||
| Zeile 39: | Zeile 73: | ||
|} | |} | ||
=== Anforderungsprofil an den Feuchteschutz nach DIN 4108 === | {{Anker|Anforderungsprofil}} | ||
Gemäß [[DIN 4108]] sind folgende Anforderungen | === Anforderungsprofil an den Feuchteschutz nach DIN 4108-3 === | ||
* | Gemäß [[DIN 4108]]-3 sind folgende Anforderungen zum Tauwasserschutz zu erfüllen: | ||
* mit [[Tauwasser]] in Berührung kommende Baustoffe, dürfen davon nicht geschädigt werden (z. B. Korrosion, Pilzbefall), | |||
* | * das in der Tauperiode im Bauteil anfallende Wasser muss in der Verdunstungsperiode wieder abgegeben werden können (M<sub>c</sub> ≤ M<sub>ev</sub>), | ||
* Dächer, Außenwände sowie Decken nicht ausgebauter Dachräume dürfen im Bauteil allgemein max. 1,0 kg/m² flächenbezogene Tauwassermenge M<sub>c</sub> bzw. <br /> 0,5 kg/m² an Berührungsflächen nicht kapillar wasseraufnahmefähigen Schichten (z. B. Metalle, Folien, Normalbeton, [[Schaumdämmstoff]]e, [[Mineralwolle]]), auftreten. Für Holzbauteile gilt die [[DIN 68800-2]]; | |||
* | * Begrenzung des massebezogenen Feuchtegehalts: Holz max. 5 %; [[Holzwerkstoff]]e max. 3 %. Dies gilt nicht für [[Holzwolle-Leichtbauplatte]]n und Mehrschicht-Leichtbauplatten nach [[DIN EN 13168]]. | ||
'''Nicht anwendbar''' ist das Periodenbilanzverfahren nach Glaser zur Berechnung von Diffusionsvorgängen als Nachweis der [[Bauschadensfreiheit]] (oder zur Betrachtung der Abgabe von Rohbaufeuchte) bei: | |||
* Bauteilen von Räumen, die unbeheizt, unter 20 °C gekühlt oder mit hoher Feuchtelast beaufschlagt sind (z. B. Schwimmbäder); | |||
* Bauteilen von Gebäuden, die über 700 m NN liegen; | |||
* erdberührten Bauteilen; | |||
* Bauteilen zu unbeheizten Nebenräumen sowie Kellern; | |||
* [[Gründach|begrünten]] und bekiesten Dachkonstruktionen sowie solchen mit Plattenbelägen und Holzrosten (Terrassen); | |||
* Innendämmung mit R > 1,0 m²⋅K/W mit ausgeprägten sorptiven und kapillaren Eigenschaften auf einschaligen Außenwänden; | |||
* zur Berechnung des natürlichen Austrocknungsverhaltens, wie z. B. im Fall der Abgabe von Rohbaufeuchte oder der Aufnahme von Niederschlagswasser; | |||
* gedämmte, nicht belüftete Holzdachkonstruktionen mit Metalldachdeckung oder mit Abdichtung auf Schalung oder Beplankung ohne Hinterlüftung der Abdichtungs-/Deckunterlage; | |||
Bei Nichterfüllung kann mit Hilfe weiterführender, [[Diffusion_-_Berechnungsmodelle#instationaer|instationärer]] Simulationsverfahren die Funktionsfähigkeit nachgewiesen werden. | |||
<br /> | |||
=== Kritik === | === Kritik === | ||
| Zeile 58: | Zeile 105: | ||
Das vereinfachte Verfahren nach Glaser kann ausschließlich der groben Abschätzung von [[Tauwasser]]- bzw. Verdunstungsmengen dienen. Die Luftdichtheit nach DIN 4108-7, trockene Baustoffe, sowie Schutz vor Niederschlagswasser (und somit auch ein geregelter Bauablauf) gelten als gegebene Voraussetzung der Abschätzung. | Das vereinfachte Verfahren nach Glaser kann ausschließlich der groben Abschätzung von [[Tauwasser]]- bzw. Verdunstungsmengen dienen. Die Luftdichtheit nach DIN 4108-7, trockene Baustoffe, sowie Schutz vor Niederschlagswasser (und somit auch ein geregelter Bauablauf) gelten als gegebene Voraussetzung der Abschätzung. | ||
===In Normen übernommen=== | ===In Normen übernommen=== | ||
| Zeile 65: | Zeile 110: | ||
* Deutschland: [[DIN 4108-3]] und weiterhin auch in [[DIN EN ISO 13788]] - Berechnungsalgorithmus, grafisches Verfahren. | * Deutschland: [[DIN 4108-3]] und weiterhin auch in [[DIN EN ISO 13788]] - Berechnungsalgorithmus, grafisches Verfahren. | ||
* Österreich: [[ÖNORM B 8110-2]] - Wasserdampfdiffusion und Kondensationsschutz. | * Österreich: [[ÖNORM B 8110-2]] - Wasserdampfdiffusion und Kondensationsschutz. | ||
* Schweiz: [[SIA 180]] - Wärme- und Feuchteschutz im Hochbau | * Schweiz: [[SIA 180]] - Wärme- und Feuchteschutz im Hochbau | ||
=== Realitätsnahe Verfahren, instationär === | === Realitätsnahe Verfahren, instationär === | ||
Das Glaser-Verfahren wird gerade in Grenzsituationen wie auch bei Konstruktionen bei denen die Anwendung gemäß [[DIN 4108-3 | Das Glaser-Verfahren wird gerade in Grenzsituationen wie auch bei Konstruktionen bei denen die Anwendung gemäß [[DIN 4108-3]] nicht zulässig ist zunehmend abgelöst vom [[WUFI]]. WUFI berücksichtigt zudem den kapillaren [[Feuchtetransport]] und dessen [[Sorption|sorptive]] Aufnahmefähigkeit für ausfallende [[Feuchte]]. Darüber hinaus kann WUFI kurzfristige Ereignisse abbilden sowie Regen und Strahlung berücksichtigen. Es simuliert realistische Wärme- und Feuchtezustände eines Bauteils unter standortbedingten Klimaverhältnissen. | ||
'''Siehe''' | '''Siehe''' | ||
| Zeile 76: | Zeile 120: | ||
===Siehe auch=== | ===Siehe auch=== | ||
* [[Flankendiffusion - Glaser 2D]] | * [[Flankendiffusion - Glaser 2D]] | ||
{{NAV Bphys gd1}} | {{NAV Bphys gd1}} | ||