Das Periodenbilanzverfahren (Glaserverfahren, benannt nach Helmut Glaser, entwickelt in den 50ern, normativ eingeführt in den 70ern) ist ein modellhaftes Nachweis- und Bewertungsverfahren für die feuchteschutztechnische Abschätzung bzw. Ermittlung von Tauwasser- und Verdunstungswassermassen ebener Bauteilquerschnitte. Dies erfolgt durch Betrachtung des auftretenden Diffusiontransports bei stationären Zuständen unter pauschalen Randbedingungen. Im Ergebnis liefert es tabellarische und grafische Ergebnisreihen.

Die DIN 4108-3 sieht je nach Anwendungsfall eine dreistufige Beurteilungsmethodik zum Nachweis der feuchtetechnischen Unbedenklichkeit von Baukonstruktionen vor.
Stufe 1: Auswahl einer nachweisfreien Konstruktion; Stufe 2: einfacher Nachweis mittels Periodenbilanzverfahren; Stufe 3: Nachweis durch hygrothermische Simulation.
Stufe 1 und 2 gelten ausschließlich für Bauteile von Wohn- oder wohnähnlich genutzten Gebäuden, die weder befeuchtet noch unter 20 °C gekühlt werden.

Die DIN EN ISO 13788 bezieht sich ebenfalls auf das Glaser-Verfahren, jedoch wird hier das Monatsbilanzverfahren, verwendet.

Randbedingungen der vereinfachten Abschätzung der Dampfdiffusion

Die Abschätzungen mittels Periodenbilanzverfahren berechnen die anfallenden Kondensatmengen bei eindimensionalem Feuchtetransport in Konstruktionen unter Annahme eines Blockwinterklimas (Dezember bis Februar) und eines Blocksommerklimas (Juni bis August) mit den

Wärmeübergangswiderständen: Rsi = 0,25 m²⋅K/W
Rse = 0,42 m²⋅K/W

Die Einflüsse von Sonnenstrahlung und langwelliger Strahlung werden nicht berücksichtigt, Dächer ausgenommen.

Ehemalige Randbedingungen beim 'Glaser-Verfahren'
Winter (Dauer 60 Tage) Sommer (Dauer 90 Tage)
Innen: +20 °C / 50 % rel. Luftfeuchte +12 °C / 70 % rel. Luftfeuchte
Außen: -10 °C / 80 % rel. Luftfeuchte +12 °C / 70 % rel. Luftfeuchte
Klima Temperatur

𝜃
°C
Relative Luftfeuchte
𝜑
 %
Wasserdampf-
teildruck

p
Pa
Dauer

t
Tauperiode von Dezember bis Februar
Innenklima +20 50 1168 90 d 2160 h
Außenklima -5 80 321
Verdunstungsperiode von Juni bis Augusta
Wasserdampfteildruck Innenklima 1200 90 d 2160 h
Wasserdampfteildruck Außenklima 1200
Sättigungsdampfdruck im Tauwasserbereich:
  • Wände, die Aufenthaltsräume gegen Außenluft abschließen; Decken unter nicht ausgebauten Dachräumen
  • Verschattete Dächer oder solche mit hellen Deckungen/Abdichtungen;
  • Unverschattete Dächer mit dunklen Deckungen/Abdichtungen, die Aufenthaltsräume gegen Außenluft abschließen.

1700
2000
a In der Verdunstungsperiode werden im Rahmen des Periodenbilanzverfahrens nicht die Temperaturen und Luftfeuchten, sondern nur die gerundeten Wasserdampfteildrücke als Klimarandbedingung vorgegeben.

Anforderungsprofil an den Feuchteschutz nach DIN 4108-3

Gemäß DIN 4108-3 sind folgende Anforderungen zum Tauwasserschutz zu erfüllen:

  • mit Tauwasser in Berührung kommende Baustoffe, dürfen davon nicht geschädigt werden (z. B. Korrosion, Pilzbefall),
  • das in der Tauperiode im Bauteil anfallende Wasser muss in der Verdunstungsperiode wieder abgegeben werden können (Mc ≤ Mev),
  • Dächer, Außenwände sowie Decken nicht ausgebauter Dachräume dürfen im Bauteil allgemein max. 1,0 kg/m² flächenbezogene Tauwassermenge Mc bzw.
    0,5 kg/m² an Berührungsflächen nicht kapillar wasseraufnahmefähigen Schichten (z. B. Metalle, Folien, Normalbeton, Schaumdämmstoffe, Mineralwolle), auftreten. Für Holzbauteile gilt die DIN 68800-2;
  • Begrenzung des massebezogenen Feuchtegehalts: Holz max. 5 %; Holzwerkstoffe max. 3 %. Dies gilt nicht für Holzwolle-Leichtbauplatten und Mehrschicht-Leichtbauplatten nach DIN EN 13168.

Nicht anwendbar ist das Periodenbilanzverfahren zur Berechnung von Diffusionsvorgängen nach Glaser bei:

  • Bauteilen von Räumen, die unbeheizt, unter 20 °C gekühlt oder mit hoher Feuchtelast beaufschlagt sind (z. B. Schwimmbäder);
  • Bauteilen von Gebäuden, die über 700 m NN liegen;
  • erdberührten Bauteilen;
  • Bauteilen zu unbeheizten Nebenräumen sowie Kellern;
  • begrünten und bekiesten Dachkonstruktionen sowie solchen mit Plattenbelägen und Holzrosten;
  • Innendämmung mit R > 1,0 m²⋅K/W mit ausgeprägten sorptiven und kapillaren Eigenschaften auf einschaligen Außenwänden;
  • zur Berechnung des natürlichen Austrocknungsverhaltens, wie z. B. im Fall der Abgabe von Rohbaufeuchte oder der Aufnahme von Niederschlagswasser;
  • gedämmte, nicht belüftete Holzdachkonstruktionen mit Metalldachdeckung oder mit Abdichtung auf Schalung oder Beplankung ohne Hinterlüftung der Abdichtungs-/Deckunterlage;

Bei Nichterfüllung kann mit Hilfe weiterführender, instationärer Berechnungsmethoden die Funktionsfähigkeit nachgewiesen werden.

Nachweisfreie Konstruktionen

Für eine Reihe von Bauteilen ist kein rechnerischer Tauwassernachweis erforderlich bzw. ist das Periodenbilanzverfahren für die Beurteilung ungeeignet.
Grober Auszug diverser, verbreiteter Beispiele ohne konsequent detaillierter Auflistung einschränkender Details und sonstiger Voraussetzungen:

  • Wände aus Mauerwerk oder Beton mit Innenputz und ggf. Außendämmung mit in jedem Fall regelkonformen Außenputz oder Außenwandbekleidungen
  • Wände mit Innendämmung ohne Schlagregenbeanspruchung: Innendämmung mit Wärmedurchlasswiderstand R ≤ 0,5 m²⋅K/W. - Bei 0,5 < R ≤ 1,0 m²⋅K/W: sd-Wert innen ≥ 0,5 m
  • Wände in Holzbauart mit vorgehängten Außenwandbekleidungen: sd-Wert innen ≥ 2 m; außen ≤ 0,3 m
  • bestimmte Holzfachwerkwände mit raumseitiger Luftdichtheitsschicht
  • bestimmte erdberührte Kelleraußenwände und Bodenplatten
  • diverse sonstige (s.o.) Dächer - mit regelkonformen Eindeckungen bzw. Dachabdichtungen
  • oberste Geschossdecken gegenüber kaltem Dachraum


Kritik

Die in DIN 4108-3 genannten Ansätze erlauben keine realitätsnahe Betrachtung der Wärme- und Feuchteströme innerhalb eines Bauteils. Es werden keine sich unter Temperatur und Feuchte verändernden Materialeigenschaften berücksichtigt. Die Grenzen des vereinfachten Verfahrens sind offensichtlich und man findet den Hinweis auf realitätsnahe Verfahren. Es wird lediglich bestimmt, ob im Laufe der Zeit durch Diffusionsprozesse eine unzulässige Anreicherung entsteht und dabei völlige Luftdichtheit des Bauteils unterstellt. Restleckagen in der Luftdichtheitsebene finden keine Berücksichtigung.

Somit fehlen unter Anderem Untersuchungen

Das vereinfachte Verfahren nach Glaser kann ausschließlich der groben Abschätzung von Tauwasser- bzw. Verdunstungsmengen dienen. Die Luftdichtheit nach DIN 4108-7, trockene Baustoffe, sowie Schutz vor Niederschlagswasser (und somit auch ein geregelter Bauablauf) gelten als gegebene Voraussetzung der Abschätzung.

Die DIN 4108-3 verweist deshalb darauf, dass dieses Verfahren nicht für begrünte Dachkonstruktionen als Nachweis der Bauschadensfreiheit oder zur Betrachtung der Abgabe von Rohbaufeuchte geeignet ist, sondern dann instationäre Simulationsverfahren verwendet werden müssen.

In Normen übernommen

Das Glaser-Verfahren wurde in folgende Normen eingebunden:

  • Deutschland: DIN 4108-3 und weiterhin auch in DIN EN ISO 13788 - Berechnungsalgorithmus, grafisches Verfahren.
  • Österreich: ÖNORM B 8110-2 - Wasserdampfdiffusion und Kondensationsschutz.
  • Schweiz: SIA 180 - Wärme- und Feuchteschutz im Hochbau

Realitätsnahe Verfahren, instationär

Das Glaser-Verfahren wird gerade in Grenzsituationen wie auch bei Konstruktionen bei denen die Anwendung gemäß DIN 4108-3 nicht zulässig ist (z. B. Gründächer) zunehmend abgelöst vom WUFI. WUFI berücksichtigt zudem den kapillaren Feuchtetransport und dessen sorptive Aufnahmefähigkeit für ausfallende Feuchte. Darüber hinaus kann WUFI kurzfristige Ereignisse abbilden sowie Regen und Strahlung berücksichtigen. Es simuliert realistische Wärme- und Feuchtezustände eines Bauteils unter standortbedingten Klimaverhältnissen.

Siehe

  • WUFI: PC-Programm zur Berechnung des gekoppelten Wärme- und Feuchtetransports in Bauteilen
  • Delphin: Simulationsprogramm für den gekoppelten Wärme-, Feuchte-, und Stofftransport in kapillarporösen Baustoffen

Siehe auch